Dem Tierverhalten und damit auch dem Melkverhalten einer Kuh wird in der Praxis große Bedeutung beigemessen. Neben dem Aspekt der Unfallverhütung beeinträchtigen nervöse, teilweise auch aggressive Tiere den Betriebsablauf beträchtlich. Dies gilt insbesondere auch für die Umgänglichkeit beim Melkvorgang (Melkverhalten).
Aus diesem Grund wurde in den vergangenen Jahren vom LfL Grub eine genomische Zuchtwertschätzung für das Merkmal Melkverhalten entwickelt. Die Erfassung des Melkverhaltens erfolgt einerseits im Rahmen der Exterieur-Nachzuchtbewertung bzw. in Österreich seit 2019 parallel und seit 2021 ausschließlich im Zuge der Milchleistungskontrolle durch Befragung des Bauern oder der Bäuerin.
Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse über Ländergrenzen hinweg zu erreichen, wurden die Ausprägungen der einzelnen Stufen der Skala länderübergreifend einheitlich umgesetzt. Das Melkverhalten wird in die vier Stufen ‚sehr ruhig‘, ‚unauffällig‘, ‚leicht nervös‘ und ‚stark nervös‘ eingeteilt. ‚Unauffälliges Melkverhalten‘ entspricht der normalen Kuh in der Herde, die der Bauer beim Melken und in der Herde als unauffällig bezeichnet oder gar nicht bewusst wahrnimmt. Die Verteilung des Melkverhaltens auf die erfassten Kategorien ist in der Abbildung dargestellt (Fleckvieh Österreich).
Abb.: Verteilung des Melkverhaltens beim Fleckvieh in Österreich
Von Null auf Single-Step
In Voruntersuchungen wurden beim Fleckvieh Erblichkeiten (Heritabilitäten) von 5,3 Prozent geschätzt. Diese für Fitnessmerkmale übliche niedrige Erblichkeit in Kombination mit einem noch relativ geringen Datenumfang führt zu etwas niedrigeren Zuchtwert-Sicherheiten als bei den meisten anderen Merkmalen. Allerdings ist es für das Melkverhalten bereits von Beginn weg möglich, auf das neue Single-Step-Verfahren zu setzen, wo neben den nachkommengeprüften Stieren auch die typisierten Kühe mit Daten zur Sicherheit der geschätzten Zuchtwerte beitragen. Die Zuchtwerte werden wie üblich als Relativ-Zuchtwert veröffentlicht, wobei höhere Zuchtwerte einen höheren Anteil ruhiger und unauffälliger Töchter bedeuten.
In der Tabelle sind ein paar ausgewählte Stiere mit sehr hohen und sehr niedrigen Zuchtwerten für Melkverhalten zu finden.
Tab.: Ausgewählte Stiere mit ihren Zuchtwerten für Melkverhalten (MVH)
Der Zuchtwert Melkverhalten stellt ein weiteres interessantes Hilfsmerkmal dar, allerdings sollte er in erster Linie dazu dienen, extreme Ausreißer nach unten zu identifizieren, aber nicht um ein weiteres zu strenges Selektionskriterium auf Kosten anderer wichtiger Merkmale einzuführen.
Autoren: Dr. Dieter Krogmeier, Dr. Eduardo Pimentel, LfL Grub und Dr. Christian Fürst, ZuchtData für das ZWS-Team D-Ö-CZ