Vor nunmehr rund 20 Jahren wurde aufbauend auf Ergebnissen eines vom damaligen Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft unterstützten Forschungsprojektes zur Optimierung der Zuchtprogramme bei Fleckvieh und Braunvieh die Umsetzung der Ergebnisse in die Praxis in Form des Zuchtprogrammes „FLECKVIEH AUSTRIA“ beschlossen.
Die Verantwortlichen der Fleckviehzucht in Österreich haben das Zuchtprogramm gemeinsam mit Vertretern der Wissenschaft kontinuierlich weiterentwickelt. Innovationen und neue züchterische Möglichkeiten wurden und werden laufend aufgegriffen, der Nutzen evaluiert und gegebenenfalls schnell in die Zuchtprogramme integriert. Der vorliegende Artikel gibt einen Kurzüberblick über die Leistungsentwicklung von Fleckvieh AUSTRIA im Zeitraum von 1999 bis 2019. Des Weiteren wird auf die Umsetzung des Zuchtprogrammes im Kontrolljahr Bezug genommen und auf aktuelle Herausforderungen und den zukünftigen Bedarf an Weiterentwicklungen eingegangen.
Leistungsentwicklung in den letzten 20 Jahren
Die Abbildungen 1-4 stellen die Entwicklung der Lebensleistung in Milch-kg, Fett-Eiweiß-kg, durchschnittlicher Laktationsleistung aller Herdebuchkühe in Milch-kg und der Nutzungsdauer über die letzten 20 Jahre dar (Quelle: ZuchtData-Jahresberichte). Es ist zu sehen, dass es bei allen Rassen gelungen ist, die Lebensleistung massiv zu steigern. Sie liegt bei den im Kontrolljahr 2019 abgegangenen Fleckvieh-Kühen in Österreich bei 30.689 Milch-kg bei 2.344 Fett-Eiweiß-kg. Die Nutzungsdauer beträgt bei den 2019 abgegangenen Fleckvieh-Kühen 3,89 Jahre mit im Durchschnitt 4,04 Abkalbungen. Der Anstieg in der Lebensleistung von 1999 auf 2019 in Milch-kg beträgt beim Fleckvieh 9.378 kg, beim Braunvieh 5.084 kg, beim Holstein 6.304 kg, beim Pinzgauer 4.363 kg und beim Grauvieh 4.814 kg. Bei der Fett- und Eiweißmenge ist eine ähnliche Entwicklung zu erkennen. Hier beträgt der Anstieg von im Durchschnitt erzielten Fett-Eiweiß-kg beim Fleckvieh 716 kg, das heißt, die Fleckvieh-Kühe, die 2019 abgegangen sind, erzielten im Durchschnitt 2.344 kg, Fleckvieh-Kühe, die 1999 abgingen, erzielten mit 1.629 Fett-Eiweiß-kg im Durchschnitt 716 kg weniger. Diese Steigerungen beim Fleckvieh konnten durch eine große Milchleistungssteigerung (Abbildung 3) in Kombination mit einer Stabilisierung bzw. leichten Verbesserung der Nutzungsdauer (Abbildung 4) über die letzten Jahre erzielt werden.
Abb. 1: Entwicklung der Lebensleistung in Milch-kg in Österreich in den letzten 20 Jahren
Abb. 2: Entwicklung der Lebensleistung in Fett-Eiweiß-kg in Österreich in den letzten 20 Jahren
Abb. 3: Entwicklung der Laktationsleistung aller Herdebuchkühe in Milch-kg in Österreich in den letzten 20 Jahren
Abb. 4: Entwicklung der Nutzungsdauer (in Jahren) in Österreich in den letzten 20 Jahren
Tabelle 1 gibt einen detaillierteren Einblick in die Entwicklung von verschiedenen Parametern aus der Leistungsprüfung bei FLECKVIEH AUSTRIA in den letzten 5 Jahren. Es fällt auf, dass die durchschnittliche Milchleistung aller Herdebuchkühe zwischen 2014 und 2019 um ca. 570 kg angestiegen ist, das heißt etwas mehr als 100 kg pro Jahr. Die Fitness- und Fleischleistung ist in etwa stabil geblieben, die Nutzungsdauer ist leicht angestiegen.
Tab. 1: Entwicklung von phänotypischen Leistungen bei FLECKVIEH AUSTRIA von 2014 bis 2019
Zuchtfortschritt steigt kontinuierlich an
Die genetischen Trends zeigen unabhängig von Einflüssen aus der Umwelt auf die absoluten Leistungen (Verkaufspreise, Futtermittelpreise, Trockenheit …), wie sich das genetische Potential der Rasse Fleckvieh entwickelt. Die Entwicklung der Teilzuchtwerte (Abbildung 5) bestätigt, dass trotz der großen Steigerung des GZW und des Milchwerts die Fitnesseigenschaften im Schnitt gehalten werden konnten. Ähnliches zeigt sich beim Fleischwert. Die genetischen Trends der Einzelzuchtwerte im Fitness- und Fleischbereich sind ebenfalls durchgehend positiv (ZuchtData, 2020).
Abb. 5: Genetischer Trend des GZW und der Teilzuchtwerte Milchwert (MW), Fleischwert (FW) und Fitnesswert (FIT) der österreichischen Stiere (Geburtsjahrgänge 2003 bis 2018)
Kennzahlen aus dem Zuchtprogramm FLECKVIEH AUSTRIA
Um das Zuchtziel mit den angestrebten Verbesserungen erreichen zu können, ist die konsequente Umsetzung des Zuchtprogrammes wesentlich. Alljährlich werden verschiedene Auswertungen zum Monitoring der Zuchtprogramme von der ZuchtData durchgeführt. Einige Kennzahlen zum Stand der Umsetzung bei FLECKVIEH AUSTRIA (ZuchtData, 2020) sind hier angeführt.
Abb. 6: Genomisches Zuchtprogramm FLECKVIEH AUSTRIA
2019 wurde von den Verantwortlichen der Fleckviehzucht in Österreich eine Weiterentwicklung beim Zuchtprogramm FLECKVIEH AUSTRIA beschlossen. Ein Anteil von Besamungen mit genomischen Jungstieren von 75 Prozent bei den Herdebuchkühen wird nun österreichweit als Ziel definiert. Wie Abbildung 7 zeigt, konnte der Anteil der Besamungen mit genomischen Jungstieren seit 2010 kontinuierlich gesteigert werden. Im österreichweiten Durchschnitt liegt der Anteil an Jungstierbesamungen bei den Herdebuchkühen bei Fleckvieh bei 55,4 Prozent. Zwischen den Verbänden gibt es relativ große Unterschiede. Der Anteil nach Zuchtverbänden variiert in Österreich im Kontrolljahr 2019zwischen 32,4 und 76,7 Prozent.
In der gezielten Paarung werden auch aktuell de facto fast nur mehr genomische Jungvererber eingesetzt. Der Anteil der angestrebten Besamungen der Kandidatenmütter mit genomischen Jungvererbern als Stierväter wurde im Zuchtprogramm auf 90 Prozent erhöht. Mit dieser Weiterentwicklung soll der zu erzielende Zuchtfortschritt für die verschiedenen Merkmalskomplexe weiter gesteigert werden. Ergebnisse aus verschiedenen internationalen Studien bestätigen den Erfolg von genomischen Zuchtprogrammen. Der wesentlichste Einflussfaktor auf den Zuchtfortschritt ist das Generationsintervall. Dieses kann durch einen höheren Anteil von Anpaarungen mit Jungvererbern verkürzt und so der Zuchtfortschritt gesteigert werden. Diesem Aspekt wird nun mit den aktuellen Weiterentwicklungen im Zuchtprogramm Rechnung getragen. Wesentlich ist zudem die Zuverlässigkeit der genomischen Zuchtwerte. Diese konnte in den 10 Jahren seit Einführung der genomischen Selektion kontinuierlich verbessert werden. Voraussetzung für genomische Zuchtwerte sind die entsprechenden Phänotypen (Leistungsinformationen), die Genotypen und die entsprechenden methodischen Weiterentwicklungen.
Abb. 7: Anteil der Besamungen mit genomischen Jungstieren an Herdebuch-Kühen bei FLECKVIEH AUSTRIA im Zeitraum 2010 bis 2019
Welche Entwicklungen sind zu erwarten?
Die Stiere, die heute eingesetzt werden, bestimmen die Kühe von morgen. Aufschluss über die zu erwartenden züchterischen Entwicklungen geben die durchschnittlichen Zuchtwerte der eingesetzten Besamungsstiere. Die Fleckvieh-Herdebuchkühe wurden im Kontrolljahr 2019 mit Stieren mit einem durchschnittlichen Gesamtzuchtwert von 126,8 Punkten besamt. Der durchschnittliche Milchwert liegt bei 120,8. Fitness und Fleischwert sind mit 109,9 bzw. 105,8 leicht positiv. Im Fitnessbereich liegt der durchschnittliche Fruchtbarkeitswert im kritischen Bereich. Bei der Melkbarkeit sind mit einem durchschnittlichen Zuchtwert von 107,1 weitere Verbesserungen zu erwarten. Die Eutergesundheit sollte mit einem durchschnittlichen Eutergesundheitswert von 106,9 zu halten sein.
Beim Exterieur lässt ein durchschnittlicher Zuchtwert von 104,8 im Rahmen über alle Besamungen eine Tendenz zu leicht größeren Kühen erwarten. Die Bemuskelung ist konstant (durchschnittlicher ZW 100,9), das Fundament wird sich weiter verbessern (107,5). Mit durchschnittlich 114 Punkten beim Euter-Zuchtwert sind bei den Eutern weitere deutliche Verbesserungen prognostizierbar. Grundsätzlich lässt die Analyse der eingesetzten Stiere auch weiterhin stabile kontinuierliche Verbesserungen erwarten. Die Milchleistung wird weiter ansteigen, die Fitnesseigenschaften sollten sich ebenso leicht verbessern. Die Schlachtkörperqualität sollte erhalten werden können.
Abb. 8: Durchschnittliche Zuchtwerte der Besamungen bei Fleckvieh-Herdebuchkühen in den Kontrolljahren 2017-2019 (ZuchtData, 2020)
Der 2019 am häufigsten eingesetzte Stier ist MINT mit 18.421 Besamungen an Fleckvieh-Herdebuchkühen. Spitzenreiter bei den genomischen Jungstieren waren HERMELIN, WEISSENSEE und HOOLIGAN. Mit diesen drei Stieren wurden 2019 zwischen 14.049 und 16.888 Besamungen durchgeführt.
Tab. 2: Die 20 am häufigsten eingesetzten Stiere im Zuchtprogramm FLECKVIEH AUSTRIA im Kontrolljahr 2019 (ZuchtData, 2020)
*NPK …nachkommengeprüft, J=ja, N=nein
Herausforderung „Neue Merkmale“
Um auch bereits bei der Auswahl der Jungtiere (genomische Jungvererber und auch weibliche Zuchtkälber) für die Weiterzucht das Vererbungspotential im Gesundheitsbereich besser abschätzen zu können, sind genomische Zuchtwerte für diese Merkmale notwendig. Hier braucht es Gesundheitsinformationen und Genotypen von zehntausenden von Tieren. Am Aufbau dieser Kuhlernstichprobe für Merkmale aus dem Fitness- und Effizienzbereich wird aktuell in Österreich und Deutschland beim Fleckvieh intensiv gearbeitet.
Hier gilt es, einerseits die Grundlage für genomische Gesundheitszuchtwerte für bereits bestehende konventionelle Gesundheitszuchtwerte (Mastitis, Milchfieber, Zysten und frühe Fruchtbarkeitsstörungen) zu ermöglichen, andererseits auch für Bereiche, die derzeit im Gesamtzuchtwert beim Fleckvieh noch nicht berücksichtigt sind, wie die Klauengesundheit, die Stoffwechselstabilität und die Futtereffizienz, genomische Zuchtwerte zu entwickeln. Die Herausforderungen sind hier in erster Linie die verfügbaren Phänotypen.
Im Rahmen verschiedener Projekte wie z. B. Klauen-Q-Wohl (AT), FoKUHs (AT), D4Dairy (AT+DE), FleQS (DE), KlauenFitNet (DE), Fleckfficient (DE) oder KlauenCheck BW (DE) wird beim Fleckvieh an diesen Merkmalskomplexen gearbeitet. Wesentlich ist die nachhaltige Verfügbarkeit der verschiedenen Gesundheits- und Effizienzinformationen (tierärztliche Diagnosen, Klauenpflegedaten, relevante Laborergebnisse, relevante Informationen aus sonstigen Erhebungen, Hilfsmerkmale aus automatischen Melksystemen, Tiersensoren, Fütterung …). Dazu ist es wichtig, dass Lösungen gefunden werden, die die Nutzung dieser Daten für die Zucht ermöglichen. Für die Wirtschaftlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Rasse Fleckvieh, aber auch für den Einzelbetrieb ist wichtig, dass die Potentiale für Verbesserungen in der Zucht genutzt werden und eine kontinuierliche Weiterentwicklung erfolgt.
Für Fleckvieh als Zweinutzungsrasse gewinnen auch Merkmale der Fleischqualität („Genusswert“ für Konsumenten) zunehmend stärker an Bedeutung. Ein Merkmal speziell von Interesse in der Zukunft ist die Futtereffizienz, die neben der Auswirkung auf die Wirtschaftlichkeit für den einzelnen Landwirt auch eine Stellschraube für die Reduktion der Umweltwirkung der Rinderwirtschaft darstellt. Hier ist es aber ebenso wie für das Merkmal Methanemission besonders schwierig, über Forschungsstationen hinaus zuverlässige Daten für eine genomische Zuchtwertschätzung zu generieren. Hier werden die Fleckviehzuchtorganisationen gefordert sein, gemeinsam über Ländergrenzen hinweg Lösungen zu finden.
Zusammenfassung
Die Entwicklungen über die letzten 20 Jahre zeigen, dass die Verantwortlichen der Fleckviehzucht die Rasse Fleckvieh über die Jahre kontinuierlich und konsequent weiterentwickelt haben. FLECKVIEH AUSTRIA hat gemeinsam mit den internationalen Partnern in der Fleckviehzucht neue technologische Möglichkeiten (z. B. genomische Selektion) sehr schnell aufgegriffen und in die Routine umgesetzt.
Automatisierung und Digitalisierung bieten neue Möglichkeiten in der Zucht für „neue Merkmale“. International werden Reproduktionstechnologien im Zuchtprogramm immer stärker eingesetzt. Wettbewerb auch innerhalb der Rasse Fleckvieh beschleunigt Weiterentwicklungen und das Streben nach Verbesserungen. Wesentlich ist, dass die Richtung stimmt und das Zuchtprogramm FLECKVIEH AUSTRIA den Bauern die Grundlage für ein erfolgreiches nachhaltiges Wirtschaften mit der Rasse Fleckvieh im Spannungsfeld der Anforderungen der Gesellschaft nach hoher Produktqualität, Tiergesundheit, Tierwohl und Umweltwirkung und internationalem Wettbewerb liefert.
Es gilt, diese Herausforderungen auch weiter anzunehmen und gemeinsam mit den Partnern entlang der Wertschöpfungskette Lösungen zu finden, die die bäuerliche Rinderzucht auch weiterhin ermöglichen und stärken. Die Entwicklungen über die letzten 20 Jahre stimmen zuversichtlich, dass das auch weiterhin gelingen wird.
Autorin: Dr. Christa Egger-Danner, ZuchtData