Ing. Richard Pichler, von 1996 bis 2008 Geschäftsführer von FLECKVIEH AUSTRIA, wurde kürzlich zum akademischen Mitglied der Universität in Nitra, Slowakei ernannt. Die Auszeichnung ist die logische Folge jahrzehntelanger Bemühungen für die Weiterentwicklung der slowakischen Rinderzucht. Im Folgenden lesen Sie ein Interview, das DI Lukas Kalcher, ZAR, mit Richard Pichler führte.
DI Lukas Kalcher: Lieber Richard Pichler, zuerst einmal Gratulation zu dieser hohen Auszeichnung, überrascht?
Ing. Richard Pichler: Über diese Nominierung war ich vor allem als Nichtakademiker schon sehr überrascht. Ich glaube, dass ich mir das nicht verdient habe und wenn, dann schließe ich in diese Ehrung alle Personen und Institutionen ein, welche mich hüben wie drüben immer tatkräftigst unterstützt haben.
Was waren die Beweggründe der Akademie für diese besondere Aufnahme?
Ich wurde von Prof. Dr. Jozef Bulla, dem emeritierten Präsidenten der slowakischen Landwirtschaftsakademie vorgeschlagen. Er wollte damit meine langjährigen und erfolgreichen Bemühungen zur Förderung der Tierzucht sowohl in der Slowakei als auch in der ehemaligen Tschechoslowakei zum Ausdruck bringen. Die Akademie honoriert damit auch, dass wir als österreichische Nachbarn sofort nach der Wende ab dem Jahr 1990 Kontakt aufgenommen haben, um alle neuen Chancen für die Fleckviehzucht in der unmittelbaren Nachbarschaft wahrzunehmen.
Wie ist das genau abgelaufen?
Eine Nominierung für ein Mitglied der Akademie aus dem Ausland kann nur ein Mitglied oder ein Organ der Wissenschaft und der SAPV vorschlagen. Über die Mitgliedschaft selbst entscheidet dann die Generalversammlung in geheimer Wahl. Dieser gehören derzeit 100 Mitglieder an. Ein neu aufgenommenes Mitglied wird dann vom Landwirtschaftsminister per Dekret bestätigt.
Wie und vor allem wann war aus Deiner Sicht der Start dieses nachhaltigen Informationsaustausches?
Am Beginn stand natürlich das gegenseitige persönliche und auch das Kennenlernen der jeweiligen Zuchtgebiete, die durch den Eisernen Vorhang faktisch nicht zugänglich waren. Man kannte sich nur durch wenige Begegnungen in den Ausschüssen der internationalen Fleckviehvereinigung. Große Verdienste dieser internationalen Zusammenarbeit erwarben sich die sehr gut deutschsprechenden tschechoslowakischen Freunde wie Dr. Ludek Sereda und unmittelbar nach der Wende der allseits bekannte Dr. Josef Kucera.
Was zeichnet aus Deiner Sicht eine funktionierende und langfristige Geschäftsbeziehung aus?
Eine nachhaltige Zusammenarbeit, egal mit welchem Land, kann nur durch Glaubwürdigkeit, Ehrlichkeit, Vertrauen, Kommunikation auf gleicher Augenhöhe, Beseitigung von falschen Vorurteilen und vor allem durch sprachliche Verständigung aufgebaut werden.
Aufbauarbeit ist enorm wichtig, die regelmäßige Pflege dieser Kontakte umso mehr. Besteht auch heute noch eine Zusammenarbeit dieser beiden Länder?
Die Entwicklung der gemeinsamen Zuchtwertschätzung (ZWS) mit der Slowakei ist auf einem sehr guten Weg. Da kann ich nur allen derzeit aktiven Kolleginnen und Kollegen gratulieren, dass gerade in Zeiten der Genomik immer enger kooperiert wird. Hier möchte ich auch die von der Slowakei mit Verbandsdirektor DI Matus Kohut und Präsident DI Peter Repisky bestens organisierte zweitägige FleckScore-Schulung auf internationaler Ebene im Vorjahr hervorheben. AGÖF-GF Ing. Johann Tanzler und Chefbeurteiler Ing. Gerald Pollak haben darüber sehr positiv berichtet.
Die Praxis und auch der direkte Kontakt zum Bauern war Dir schon immer ein großes Anliegen. Im Zuge Deiner Reisen hast du sicher unzählige Betriebe besucht. Gibt es hier einen Betrieb, der dich besonders beeindruckt hat?
Ein besonderer Höhepunkt war immer wieder der Besuch der Versuchsfarm Kozarovce, die damals vom Verbandsvorsitzenden Jozef Vengrin und heute von DI Peter Repisky geleitet wird. Zu meiner Zeit bewunderten wir auf diesem Betrieb z.B. die Top-Kuh der Herde, eine MALF-Tochter mit über 14.000 kg Milch. In Kozarovce kann man heute hervorragendes reinrassiges Fleckvieh wie auch einen sehr tiergerechten neuen 6-reihigen Boxenlaufstall mit Liegematratzen für 300 Kühe, Schieberentmistung und einem 24er-Fischgrätenmelkstand besichtigen. Die Farm kooperiert im Versuchs- und Forschungswesen mit der Agraruniversität Nitra.
Was waren die wesentlichen Schwerpunkte Deines Wirkens?
Da denke ich an ein hochrangig besetztes Fach-Symposium an der Agrar-Uni in Nitra, wo ich als AGÖF-Geschäftsführer ein Referat über die Fleckviehzucht halten durfte. Als Nicht-Wissenschafter dort aufzutreten, ließ mir den Puls schon etwas ansteigen. Nachdem mein Auftritt gut gelaufen ist, war ich entsprechend erleichtert. Weiters unterstützten wir Studentinnen und Studenten der Universität Nitra bei Diplomarbeiten und Dissertationen, indem wir Datenerhebungen auf unseren Zuchtbetrieben ermöglichten. So wurde unter anderem das Merkmal Melkbarkeit mithilfe des Laktocordereinsatzes untersucht. Mehrmals organisierten wir über die AGÖF mit Unterstützung der ZAR und des Landwirtschaftsministeriums immer wieder fachliche Seminare, Fleckviehschaubesuche und Exkursionen in unserem Land. Meines Erachtens war und ist dies bis heute die beste Werbemaßnahme für die heimische Rinderzucht. Jährliche Höhepunkte der Zusammenarbeit gab es am AGROKOMPLEX in Nitra, der wichtigsten Agrarmesse in der Slowakei.
Über welchen Zeitraum genau?
Meine Kontakte laufen seit 1991 bis heute. Die oftmaligen gegenseitigen Besuche und fachlichen Treffen wären ohne meine verlässlichen Dolmetsch-Spezialisten wie Peter Strapak, Michaela Husta und Robert Bulla nicht möglich gewesen. Seit 1996 arbeite ich mit Robert zusammen. Er spricht mehrere Sprachen, besonders gut Deutsch und ist als Absolvent der Agrar-Uni Nitra auch vom Fach. In den letzten drei Jahren organisierten wir gemeinsam zwei Züchter-Exkursionen in die Slowakei. Danke Robert.
Wie hat sich aus Deiner Sicht die Rinderzucht und im speziellen die Fleckviehzucht in der Slowakei entwickelt?
Einleitend dazu zitiere ich den Bericht von Dr. Bruno Laber, dem damaligen niederösterreichischen Verbandsgeschäftsführer, über seine Eindrücke aus 1969: „Das tschechische Fleckvieh ist in der Farbe durchwegs ein Dunkelrotscheck, etwas leichter, sehr edel und mehr milchbetont. Zum Unterschied davon ist das Slowakische Fleckvieh einheitlich gelb gescheckt, rahmiger, besser kombiniert und entspricht daher mehr unserem Zuchtziel.“ Als ich 1991 das erste Mal Fleckviehbetriebe besuchte, war der Fleckvieh-Typ eher heterogen. Viele Betriebe züchteten das gelbgescheckte oder gelbgedeckte Fleckvieh, dann begann auch die Kreuzungszucht mit RH und Montebeliarde mit unterschiedlichen Ergebnissen. Meine Empfehlung war damals schon, mehr Wert auf Reinzucht mit besten Fleckviehstieren zu legen, um die vorhandenen guten Anlagen des slowakischen Fleckviehs vor allem in der Fleischleistung nicht zu verlieren. Heute werden sich die Fleckvieh-Populationen in Deutschland, Österreich, Tschechien und der Slowakei dank der Angleichung der Zuchtziele, der Zuchtprogramme, der ZWS und vor allem des länderübergreifenden Einsatzes der besten Vererber immer ähnlicher.
Die Akademie in Nitra wollte dir ja diese Auszeichnung persönlich übergeben. Aufgrund der Coronakrise war jedoch eine persönliche Übergabe nicht möglich. Möchtest du jemanden in diesem Zusammenhang danken?
Selbstverständlich. Ich werde ein Dankschreiben an das Präsidium der SAPV-Akademie und an das Ministerium senden. Einen besonderen Dank möchte ich Herrn Univ.Prof. Dr. Jozef Bulla und seinem Sohn Dr. Robert Bulla für die jahrzehntelange intensive und vor allem freundschaftliche Zusammenarbeit. Als oftmaliger Verantwortlicher bzw. Mitorganisator möchte ich meinen slowakischen Dolmetsch-Kolleginnen und -Kollegen, unserem Landwirtschaftsministerium, der ZAR und ZuchtData, der BOKU, den Landwirtschaftskammern, der WKO, dem AAC (Austrian Agricultural Cluster), den Zucht- und Kontrollverbänden, den Besamungsstationen, den Veterinären, den Prüflabors, den Landwirtschaftsschulen, den Molkereien, den Schlachthöfen, den Exportfirmen sowie natürlich allen Zuchtbetrieben, die sich immer, wenn ich bei den jeweiligen verantwortlichen Personen angerufen habe, jahrzehntelang in den Dienst der Sache stellten. Danke!
Das heißt, über die jahrzehntelangen Kontakte hast du auch wohl Freunde fürs Leben gewonnen …
Ja, sehr wohl. Was mich in diesem Zusammenhang sehr freut, ist, dass meine Bemühungen, langfristig wirksame Netzwerke in Osteuropa nach der Wende aufzubauen, richtig waren und heute von meinen Kolleginnen und Kollegen der Nachfolgegenerationen weiter genutzt werden.
Lieber Richard, danke für Deinen spannenden Einblick in einen Deiner zahlreichen internationalen Bemühungen.