Christian Rechberger, Steiermark

Mut zur Veränderung

Die Prominenz verkehrt am Fuße des Hochschwabs am Steirereck/Pogusch das ganze Jahr über. Doch auch für alle Natur- und Wanderliebhaber bietet die Region neben dem Hochschwab sehr vieles. Unweit dieser Kulinarik- und Wanderziele befindet sich „versteckt‘‘ der Betrieb der Familie Rechberger vulgo Pichler in Thal bei Turnau.

Für die Region damals sehr unüblich wurde 1998 von Anbindehaltung in einen Außenklima-Liegeboxenstall umgezogen. Für viele bis heute aufgrund des rauen Klimas unvorstellbar, waren die Rechbergers von Anfang an davon überzeugt und sind auch heute noch bestätigt in ihrer Entscheidung.

Der Hof von Christian Rechberger liegt in der Gemeinde Turnau im politischen Bezirk Bruck/Mürzzuschlag auf 870 m Seehöhe

Der Hof von Christian Rechberger liegt in der Gemeinde Turnau im politischen Bezirk Bruck/Mürzzuschlag; auf 870 m Seehöhe.

Christian Rechberger mit Partnerin Doris und den Kindern (v. l.) Magdalena, Phillip und Raphael

Christian Rechberger mit Partnerin Doris und den Kindern (v. l.) Magdalena, Phillip und Raphael

Nachdem die Kuhanzahl wuchs und es galt, die Arbeitskraft effizienter und flexibler zu nutzen, stand der Entschluss fest, in einen Melkroboter zu investieren.  Von der Richtigkeit dieses Entschlusses ist der Betriebsführer heute nach über 600.000 Melkungen überzeugter denn je.

Mit der Pensionierung von Mutter Margareta blieb Christian, der als Zuchtberater bei der Rinderzucht Steiermark gearbeitet hat, zuhause am elterlichen Betrieb, den er dann 2015 auch von seinen Eltern Margareta und Willibald übernommen hat.

Ebenfalls 2015 wurde der Stall um eine Rundbogenhalle mit Komposteinstreu (Dinkelspelzen) erweitert. Dieser Bereich wurde in den letzten acht Jahren über ein Selektionstor vor allem für die Frischlaktierer genutzt. Derzeit werden 36 Tiefliegebuchten in die Halle eingebaut. Rohstoffpreise und Verfügbarkeit machen eine Weiterführung auf Kompost uninteressant.

Fütterung und Aufzucht

Die Milchkühe werden mit einer AMR ausgelegt auf 27 kg Milch gefüttert. Der Rest wird über den Roboter zugeteilt. Siliert wird das gesamte 4-schnittige Dauergrünland in Rundballenform. Zusätzlich wird Silomais zugekauft und derzeit in Schlauchsilos gelagert.

Die Kälber werden seit heuer mit einem Tränkeautomaten versorgt. Zusätzlich wurde dieses Jahr ein Entmistungsroboter angeschafft, beides von der Firma Lely.

Circa 20 Kalbinnen werden von einem nahegelegenen Partnerbetrieb aufgezogen und im Sommer werden circa 60 der rund 90 Aufzuchttiere gealpt. Das Erstkalbealter (EKA) schwankt in der Regel zwischen 27-29 Monaten. Vor allem die Alpung macht eine Absenkung des EKA schwer möglich. „Ich rechne pro Monat Alpung ein zusätzliches Monat für die Aufzucht‘‘, so Rechberger. Wirtschaftlich gesehen ist Almwirtschaft von zwei Seiten zu betrachten: negativ die spätere Reife und geringere Einsatzleistungen und positiv die bessere Fitness der Kühe.

Züchterisches

Bei der Selektion setzt der Betriebsführer nicht unbedingt auf hohe Lebensleistungen wie viele Berufskollegen. Die weiblichen Zuchttiere kalben zur Gänze am Betrieb ab. Gewünscht wird eine leistungswillige, leichtmelkende, problemlose und unauffällige Kuh mit gutem Euter und Fundament. Vor allem neugierige, laufbereite Kühe braucht der AMS-Betrieb. Die letzten zehn Jahre wurde sehr intensiv auf Melkbarkeitsverbesserung gezüchtet. Dadurch kommt es oft vor, dass sich Christian von guten Kühen relativ rasch trennt. Anfallende Jungkühe werden über die Rind Steiermark zur Zucht vermarktet.

Aktuell werden 50 Prozent der Herde gesext reinrassig, 25 Prozent konventionell reinrassig und 25 Prozent mit Weiß-Blauen Belgiern besamt. Es wird zu 100 Prozent mit genomischen Jungvererbern besamt. Geachtet wird vor allem auf die Eutervererbung, Milchmenge, Melkbarkeit sowie GZW und MW. Auf Abkalbeverlauf wird seit fast 30 Jahren kaum geachtet.

Geprägt wird die Herde vom M-Stamm. Montebéliard-Kuh MINUTE wurde 1998 aus Frankreich importiert. Sie verkörperte die Ansprüche Rechbergers perfekt und hat glücklicherweise gut gezüchtet. Somit gehen heute rund 40 Prozent der Herde auf diese Stammkuh zurück.

Aktuell steht aus diesem M-Stamm ein vielversprechender GS WUNDAWUZI-Sohn an der Aufzuchtstation mit einem GZW von 141 bei sehr guter Milchmengen- und Eutervererbung. Es wurden aber auch noch andere Zukäufe interessanter weiblicher Genetik getätigt.

HERMELIN-Tochter MICAELA, Mutter des 141er GS WUNDAWUZI-Kandidaten

100.000-kg-Kuh SELINA, eine GS RAVE-Tochter

Schau- und Verkaufserfolge

Aber auch auf Schauen beziehungsweise für den Verkauf sehr guter Exterieurqualität ist die Familie Rechberger bekannt.
Stammkuh MINUTE wurde 2003 Gesamtsiegerin auf der Gebietsschau der VZG Aflenz. Das Siegerfoto der Drei-Rassensieger von damals wurde lange Zeit als Werbefoto von Zuchtverband, ZAR und sogar einigen Viehhandelsfirmen verwendet.

GS RAU-Tochter BIRKE wurde Gesamtchampion Alt auf der Steiermarkschau 2014 und wurde erfolgreich auf der Eurotier in Hannover ausgestellt. Aus BIRKE wurde ihr erstgeborenes Kalb als Jungkuh nach Irland an Familie Brickley verkauft. Sie züchtete im Laufe der Jahre äußerst erfolgreich und bildete die Stammherde der Brickleys.

Ebenfalls 2014 wurde die GS RIENZ-Tochter BAMBY im Zuge der Zuchtviehversteigerung in Greinbach verkauft. Sie wurde unter ihrem neuen Besitzer Champion Jung auf der Weststeiermarkschau. BAMBY wurde weiterverkauft nach Osttirol und machte im Schauland Tirol mit hoher Leistung und tollem Exterieur auf sich aufmerksam.

Jüngst wurde die GS W1-Tochter MALVE Gruppenzweite auf der diesjährigen Steiermarkschau.

GS RAU-Tochter BIRKE – bekanntes Werbegesicht ihres Vaters und Steiermarkschau-Champion 2014

Die begeisterten Jungzüchter mit der Gruppenzweite der Steiermarkschau 2023, GS W1-Tochter MALVE

Die begeisterten Jungzüchter mit der Gruppenzweite der Steiermarkschau 2023, GS W1-Tochter MALVE

Die Person dahinter

Christian Rechberger ist seit jeher fest in der Rinderzucht verankert. 13 Jahre war er Mitarbeiter bei der heutigen Rind Steiermark. Als aktiver Landwirt hat er auch an diversen Forschungsprojekten teilgenommen. „Stillstand ist Rückschritt“ – unter diesem Motto ist Christian offen für Innovationen. Allerdings muss der Kontakt zur Basis eng bleiben, hier ortet Christian für die Zukunft Verbesserungspotential.

Christian Rechberger hat als Berater beim Aufbau der Arbeitskreise Milchwirtschaft mitgewirkt, später wurde auf sein Drängen hin eine eigene AMS-Gruppe ins Leben gerufen. Besonders viel Engagement legte er in die Gründung und den Aufbau des Jungzüchterclubs Steiermark, später in den ÖJV auf nationaler Ebene. Die ersten Jungzüchterveranstaltungen auf Landesebene waren ein Riesenerfolg und wurden von Christian organisiert. Das erste Bundesjungzüchterchampionat hatte noch mit Widerständen zu kämpfen, heute ist es ein Fixpunkt im österreichischen Schauwesen.

Ein Megaprojekt war der „Jungzüchterprofi“. Auch diese Erfolgsgeschichte – heute ein Aushängeschild der Rinderzucht Austria – fand nicht von Beginn an die breite Unterstützung. Dass das Teilnahmealter mittlerweile auf 18 Jahre angehoben wurde, findet Rechberger schade.

Was ist in der Vergangenheit gut gelungen?

Im Bereich der Zucht und in der Forschung wurde in den letzten Jahren sehr gut gearbeitet. Das Exterieur und die Leistungssicherheit der Fleckviehkuh haben sich die letzten zwei Jahrzehnte enorm gesteigert. Mit der genomischen Zuchtwertschätzung haben wir im Fitness- und Erbfehlerbereich eine sehr gute Entwicklung hingelegt. Auch die Leistung und das Exterieur haben sich über die gesamte Herde positiv entwickelt, meint Christian Rechberger.

Erwartungen für die Zukunft?

Von der Forschung wird mehr Kommunikation mit der Basis erwartet. „Als AMS-Betrieb hätte ich zum Beispiel gerne ein Projekt, welches untersucht, ob es genetische Unterschiede bei der Häufigkeit der Melkbesuche gibt“. Versäumnisse ortet Rechberger in der Datenerfassung als Grundlage für die Zuchtarbeit. Hier werden die Möglichkeiten moderner Technik nach wie vor zu wenig genutzt. Viele Züchter mit Roboter benötigen die LKV-Daten nicht mehr für das Management. Rechberger würde sich hier mehr Bewegung und eine Vision wünschen, wie die Leistungsprüfung künftig effizient und kostengünstig für kleinere Strukturen stattfinden kann. Das sieht er als Kernthema, wenn es darum geht, die derzeitige Züchterdichte in Österreich aufrecht zu erhalten. In der heutigen schnelllebigen Zeit geht hier viel verloren.

Betriebsdaten

Rechberger Christian, vulgo Pichler, Thal 22, 8625 Turnau

Lage: Gemeinde Turnau im politischen Bezirk Bruck/Mürzzuschlag; auf 870 m Seehöhe

Arbeitskräfte: Betriebsleiter Christian; Mithilfe durch Partnerin Doris, Kinder Phillip (15 J.), Magdalena (10 J.), Raphael (8 J.), Mutter Margareta, im Sommer Praktikant oder Praktikantin

Betriebsgröße: 43 ha Dauergrünland (Hälfte gepachtet), 70 ha Wald, Almanteil an Agrargemeinschaft

Betriebsschwerpunkte: Milchproduktion, Zuchtrindervermarktung, Waldwirtschaft, Urlaub am Bauernhof

Tierbestand: 60 Milchkühe, 90 Stück weibliche Nachzucht

Melktechnik: Seit 2011 Lely A3 Next Melkroboter

Stiereinsatz: GS DOTTORE, GS WEBWUNDA, GS WELTFORUM, HEISS, WILDWECHSEL, MEGASTAR Pp

Kennzahlen der Herde:

  • Erstkalbealter: 29 Monate
  • Besamungsindex: 1,8
  • Zwischenkalbezeit: 384 Tage
  • GZW der Kalbväter: 131

Milchleistungsentwicklung:

Herdendurchschnittsleistung Betrieb Rechberger

Autor: Ewald Fladl, Zuchtberater Rind Steiermark
Fotos: Privat, KeLeKi, Moy