Im September fand das traditionelle deutsch-österreichische Weiterbildungsseminar für Fleckvieh-Exterieur-Beurteiler statt. Austragungsort war diesmal Aulendorf in Baden-Württemberg. Der Einladung folgten über 33 aktive Beurteiler aus Bayern, Baden-Württemberg und aus allen Zuchtgebieten in Österreich.
Über 30 Fleckviehbeurteiler aus Deutschland und Österreich nahmen am Seminar teil (Foto: LAZBW)
LAZBW bot optimale Bedingungen
Als Austragungsort bot das Landwirtschaftliche Zentrum für Rinderhaltung in Aulendorf in Baden-Württemberg (LAZBW) mit seiner Fleckviehherde und einem Tagungsraum ideale Voraussetzungen hinsichtlich theoretischer Schulungsinhalte und praktischer Einheiten am Tier.
In der Praxiseinheit des ersten Tages war von den Teilnehmern die lineare Beschreibung von insgesamt neun Jungkühen nach FleckScore zu erledigen. Erfasst wurden die Daten mit der allgemein zugänglichen Onlineanwendung www.fleckscore.com. Die Auswertung der Bewertungen erfolgte mit dem neu entwickelten Programm FleckSchool, welche technisch in bewährter Weise von Hubert Anzenberger, LfL, betreut wurde. Ein Ziel der Veranstalter war es, den Teilnehmern optimale Bedingungen zur Analyse ihrer Bewertungsergebnisse zu liefern. Durch FleckSchool ist es direkt möglich, mittels eines Ampelsystems die eigene Bewertung mit der der Referenz zu vergleichen. Gleichzeitig besprachen die Chefbewerter aus Bayern, Baden-Württemberg und Österreich einzelne Merkmale der Jungkühe in Form eines Stationsbetriebes mit den Teilnehmern.
Den Veranstaltern war es wichtig, neben den praktischen Bewertungen am Tier auch ein fachlich hochwertiges Vortragsprogramm für die Multiplikatoren zusammenzustellen.
Der Ausbildungsstall des LAZBW in Aulendorf bot optimale Bedingungen für die praktischen Bewertungen (Foto: Pilsl, ASR)
FleckScore
Hubert Anzenberger, LfL, referierte über Auswertungen zur Anwendung von FleckScore in Deutschland und Österreich. Im Jahr 2022 wurden in Österreich über 25.000 Kühe linear beschrieben. In Deutschland waren es über 45.000 Tiere. In Summe flossen 2023 mehr als 102.000 lineare Beschreibungen von Fleckviehkühen aus den Ländern Deutschland, Österreich, Tschechien, Italien und Slowakei in die gemeinsam Zuchtwertschätzung (ZWS) ein.
Augenmerk auf Vergabe von Mängeln und Verteilung der Notenvergabe
In weiterer Folge analysierte Hubert Anzenberger mit zahlreichen Auswertungen und Grafiken die Entwicklung der Exterieurmerkmale über Ländergrenzen hinweg. Besonderes Augenmerk legte er in seinen Ausführungen auf die Wichtigkeit der genauen Analyse der Mängelliste bei der linearen Beschreibung. Hier bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Bewertern, was die Häufigkeit der Vergabe von Mängeln betrifft. Interessant waren auch seine grafischen Darstellungen, die die Wichtigkeit der guten Verteilung der Notenvergabe je Merkmal um das Merkmalsmittel zeigten.
Neuerungen in FleckScore werden Wirkung zeigen
Als Reaktion auf die Populationsentwicklung wurden mit Oktober 2023 in der FleckScore-Formel Adaptierungen in den Bereichen Strichplatzierung und -stellung hinten sowie Strichlänge und -dicke durchgeführt. In ersten Auswertungen der linearen Beschreibungen seit 1.10.2023 konnte Hubert Anzenberger zeigen, dass diese Adaptierungen die Gesamteuternoten in die gewünschte Richtung beeinflussen werden. Das heißt konkret, dass Stiere, die vermehrt sehr kurze und dünne Striche sowie die nicht gewünschte Kombination aus zu enger Platzierung und Stellung der hinteren Striche bei ihren Töchtern vererben, niedrigere Gesamteuterzuchtwerte haben werden, als sie aktuell haben.
Fachliche Weiterbildung mit breitgefächerten Vortragsinhalten
Fenja Piaskowy, Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL), informierte über den Stand der Forschungsarbeit zur Entwicklung einer Zuchtwertschätzung auf Energieeffizienz. Als Grundlage dafür arbeitet das Team der LGL aktuell an einer Zuchtwertschätzung für Lebendgewicht. Dr. Henning Hamann, LGL, brachte einen Überblick über den fachlichen Hintergrund der ZWS für Fleisch, welche vom ZWS-Team der LGL in Baden-Württemberg fachlich betreut wird.
Dr. Elisabeth Gerster vom Landwirtschaftlichen Zentrum Baden-Württemberg (LAZBW) berichtete über aktuelle Ergebnisse aus dem Projekt MethaKuh. In diesem Projekt wird die Möglichkeit der CH4-Reduktion durch verschiedene Fütterungsstrategien erforscht. Nach aktuellem Wissensstand geht Dr. Gerster von einem Potential der Reduktion von Methan durch gezielte Rationsgestaltung von maximal sieben Prozent aus.
Gerald Autenrieth, Rinderunion Baden-Württemberg (RBW) stellte das Beratungspaket der RBW für ein züchterisches Herdenmanagement mit optimaler Nutzung der genomischen Zuchtwerte zur gezielten Selektion und Anpaarung vor. Dr. Hans Ertl informierte über die aktuelle Arbeit der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzüchter (ASR) und stellte das neu beschlossene Regelwerk zur internationalen Nutzung der Genomik bei Fleckvieh vor.
Reinhard Pfleger gab einen Überblick über die Arbeit der Arbeitsgruppe Exterieur in der Europäischen Vereinigung der Fleckviehzüchter (EVF). Beim letzten Weiterbildungsseminar in Italien wurde den 13 teilnehmenden Ländern die Möglichkeit geboten, Vorschläge zur Weiterentwicklung von FleckScore einzubringen. Diese Vorschlagsliste wurde von den Verantwortungsträgern von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und Fleckvieh Austria analysiert. Ergebnis daraus wird eine testweise Erfassung von interessanten neuen Merkmalen sein.
Sexing-Labor und Stierpräsentation als Highlight
Ein besonderes Highlight des Seminars war ein Besuch beim Sperma-Sexing-Labor der RBW in Bad Waldsee. Geschäftsführer Dr. Alfred Weidele stellte die Arbeit der RBW in Zucht und Vermarktung vor. Als zukunftsträchtige Investition entschied sich die RBW zum Bau eines eigenen Sperma-Sexing-Labors, welches 2020 in Betrieb ging. Gesetzt wird auf die Technologie von IntelliGen, einer Tochterfirma von ABS Global. Derzeit werden rund 25.000 geschlechtsgetrennte Samendosen pro Monat produziert. Aktuell liegt der Anteil an geschlechtsgetrennten Samendosen am Gesamtabsatz in der RBW bereits bei 18 Prozent. Abgerundet wurde der Besuch in Bad Waldsee mit der Präsentation von mehreren aktuellen Stieren der RBW, die von Zuchtleitungsassistent Gerald Autenrieth vorgestellt wurden.
Fachlicher und persönlicher Austausch
Bei einem gemeinsamen Abendessen mit typisch schwäbischen Spezialitäten blieb auch genügend Zeit für den gegenseitigen Austausch. Neben Fachgesprächen unter Kollegen wurde auch der eine oder andere Schwank aus der täglichen Arbeit besprochen.
Weiterbildung auf hohem Niveau
In der abschließenden Zusammenfassung teilten LGL, ASR, LfL und Fleckvieh Austria die Meinung, dass die Veranstaltung ein hohes Niveau in der Qualität der Weiterbildung der Beurteiler geboten hat. Die gewonnenen Erkenntnisse sollten somit wesentlich zur weiteren qualitativen Verbesserung und Vereinheitlichung von Bewertungen über Gebietsgrenzen hinweg beitragen. Besonderer Dank gilt Dr. Renate Lindner, dem Team des LAZBW und der RBW für die Vorbereitung und Durchführung des Seminars und die erwiesene Gastfreundschaft.
Autor: Ing. Reinhard Pfleger, Fleckvieh Austria