ZAR-Kuhrier: Covid 19 hat gezeigt, wie wichtig die heimische Lebensmittelversorgung ist. Welche Lehren zieht die Politik daraus?
Die Corona-Pandemie hat gezeigt, dass unsere kleinstrukturierten Familienbetriebe systemrelevant und krisensicher sind. Unsere Bäuerinnen und Bauern versorgen uns 365 Tage im Jahr mit Lebensmitteln in Spitzenqualität und dafür gilt ihnen unser größter Dank! Wenn man etwas Positives aus der Krise mitnehmen möchte, dann ist es sicher das gesteigerte Bewusstsein für Regionalität und Qualität bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Sie achten immer stärker darauf, woher die Produkte stammen. Das merkt man auch am regelrechten Boom der Direktvermarktung. Ein Plus von 23 Prozent im Jahr ist eine enorme Entwicklung. Diese Trends müssen wir jetzt nützen. Gerade der Rindfleischbereich hat sehr unter der Schließung der Gastronomie und Hotellerie gelitten. Dabei wurde uns allen einmal mehr bewusst, wie eng Landwirtschaft und Tourismus miteinander verbunden sind. Für die Zukunft sehe ich das als große Chance und Weiterentwicklungsmöglichkeit und in diese Richtung werden wir unsere Aktivitäten in den nächsten Monaten fokussieren.
Bundesministerin Elisabeth Köstinger
ZAR-Kuhrier: Langstreckentransporte stehen massiv unter öffentlicher Kritik. In Deutschland wurden kurzzeitig Exporte für Zuchttiere in Drittländer verboten. Ist eine derartige Entwicklung auch in Österreich denkbar?
Der Druck ist auch bei uns groß. Aber wenn wir weiterhin unsere Hausaufgaben machen, dann werden wir mit Sicherheit nicht in diese Situation kommen. Zuchttier-Transporte sollen unter höchsten Standards auch weiterhin in Drittländer möglich sein, aber wir werden hier noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen. Die ZAR nimmt diesbezüglich seit vielen Jahren eine Vorreiterrolle ein und zeigt, wie Langstreckentransporte funktionieren können, bei denen das Tierwohl im Vordergrund steht. Transparenz ist dabei ein wesentlicher Faktor.
Es ist wichtig, dass wir diese Themen aktiv angehen und uns ständig verbessern. Die österreichische Rinderzucht macht das, um zu zeigen, wie die ordnungsgemäße Vorgehensweise sein muss und ist dabei ein Vorbild für viele andere Branchen.
ZAR-Kuhrier: Die Generalversammlung der ZAR hat im Vorjahr einstimmig die verpflichtende Herkunftskennzeichnung auf dem Teller gefordert. Kann hier langfristig ein Kompromiss mit der Gastronomie erzielt werden?
Wir wollen zuerst bei den großen Mengen ansetzen, bei der Industrie bzw. den verarbeiteten Produkten und bei den Großküchen.
Das Regierungsprogramm gibt dafür die Rahmenbedingungen vor: eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung der Primärzutaten Milch, Fleisch und Eier in der Gemeinschaftsverpflegung (öffentlich und privat) und bei verarbeiteten Produkten. Wenn wir das System in einem ersten Schritt praktikabel bei Großküchen umsetzen und es funktioniert, dann bin ich davon überzeugt, dass wir auch die Gastronomie davon überzeugen.
ZAR-Kuhrier: Der heimischen Milch- und Rinderproduktion würde die gesetzliche Kennzeichnung nochmals verstärkten Auftrieb und Wertschätzung geben …
Das verstehe ich gut und das wird auch unser langfristiges Ziel sein. Aber es ist sehr leicht mit dem Finger auf die kleinen Betriebe – in diesem Fall auf unsere Dorfwirtshäuser – zu zeigen, aber zuerst müssen wir dorthin, wo das System nach wie vor sehr intransparent ist: bei den Großküchen und bei verarbeiteten Lebensmitteln. Wir müssen hier konsequent einen Schritt nach dem anderen machen.
ZAR-Kuhrier: Der nächste Schritt ist sozusagen die Umsetzung der heimischen Kalbfleischstrategie?
Die Kalbfleischstrategie ist mir ein Herzensanliegen und bringt eine echte Win-Win-Situation. Gemeinsam werden wir die Nachfrage nach Kalbfleisch „Made in Austria“ deutlich steigern – dafür brauchen wir die Rahmenbedingungen und Voraussetzungen. Wir liefern, was die Konsumentinnen und Konsumenten kaufen. Die Aufnahme der Qualitätsstandards „Vollmilchkalb“ und „Kalb rosé“ ins AMA-Gütesiegel war eine wesentliche Basis dafür. Darauf aufbauend gibt es dann Initiativen zur Absatzförderung und Vermarktungsstrategien. Durch die Teilnahme am Qualitätsprogramm wird ein einheitliches und qualitativ hochwertiges Erzeugnis aus regionaler Produktion aufgebaut. Für Vollmilchkälber erhalten die Landwirte einen Gütesiegel-Aufschlag von rund 30 ct/kg. Nützen wir diese Chance und bauen wir gemeinsam wieder eine heimische Kalbfleischproduktion auf.
ZAR-Kuhrier: Können Sie einschätzen, was in der neuen GAP-Periode auf die heimischen Rinderbetriebe zukommt?
Was den Green Deal betrifft haben wir in Österreich eine gute Ausgangssituation. Wir sind in Europa Vorreiter, wenn es um die biologische Produktion geht und haben mit rund 80 Prozent eine enorm hohe freiwillige Teilnahmequote an unserem Agrarumweltprogramm (ÖPUL). Durch das Zusammenspiel von Direktzahlungen zur Einkommensabsicherung, der Ausgleichszulage, dem Agrarumweltprogramm und den Investitionsförderungen haben wir schon jetzt ein umfassendes System, das wir in der Europäischen Union verteidigen und national weiterentwickeln müssen. Vor allem die Berücksichtigung der Umweltleistungen der 2. Säule beim Ökoschema wird für uns enorm wichtig sein. Ein wesentliches Ziel für die zukünftige GAP ist die weitere Qualitätsverbesserung – etwa im Rahmen von Qplus Rind, aber auch der Bereich Verarbeitung und Vermarktung. Im neuen ÖPUL werden wir unter anderem einen starken Fokus auf die Erhaltung des Grünlands und insgesamt die Almwirtschaft legen. Die Tierwohlmaßnahmen werden, wie im Tierwohlpakt angekündigt, weiter ausgebaut und gestärkt, das betrifft Maßnahmen im Bereich Weide- und Stallhaltung. Die Arbeiten zur nationalen GAP-Umsetzung und der breite Beteiligungsprozess werden uns in den nächsten Monaten jedenfalls noch intensiv beschäftigen.
ZAR-Kuhrier: Welche Botschaft wollen Sie unseren Züchterinnen und Züchtern noch mitgeben?
Die Rinderzucht ist unverzichtbar für unser Land oder einfacher gesagt: Österreich ist ein Rinderland! Die Züchterinnen und Züchter leisten großartige Arbeit. Jeder einzelne von ihnen kann stolz auf seine Arbeit sein. Es werden auch in Zukunft viele Herausforderungen auf uns warten, aber mit Engagement, Zusammenarbeit und Weitblick werden wir auch diese gemeinsam mit der ZAR meistern. Danke für die bisherige und auch weitere konstruktive Zusammenarbeit.
Autor: Lukas Kalcher, ZAR