Dair`innov Kongress – aktuelle Ergebnisse aus der Forschung für die Milchwirtschaft

Digitalisierung spielt auch in der Rinderwirtschaft eine wachsende Rolle. Eine immer größere Anzahl von Betrieben verwendet Sensoren und automatische Melksysteme. In Österreich beispielweise hat sich in den letzten drei Jahren die Zahl dieser Betriebe mehr als verdoppelt. Viele Ansätze, wie die von diesen Systemen generierten Daten und neue fortschrittliche Methoden genutzt werden können, um die Tiergesundheit zu verbessern, wurden beim Dair`innov Kongress präsentiert.

Mehr als 100 Fachleute nahmen vom 26.- bis 29. April am Dair`Innov Kongress in Namur in Belgien teil und nutzten diese großartige Gelegenheit, ihre neuesten Forschungsergebnisse zu präsentieren und mit internationalen Teams in Kontakt zu treten.

Die österreichische Delegation am Dair`Innov Kongress in Namur, Belgien ©Egger-Danner

Zwei internationale Projekte als Veranstalter – Österreich mit D4Dairy als Ko-Organisator vertreten

Der Kongress wurde gemeinsam von den Projekten D4Dairy und HappyMoo organisiert. Das Interreg Projekt Happy Moo hat das Ziel, das Tierwohl anhand der drei ausgewählten Kriterien Gesundheitsstatus, Stress und Freisein von Hunger mittels Spektralanalytik der Milch zu überwachen. Das transdisziplinäre, branchenübergreifende COMET-Projekt D4Dairy visiert die Weiterentwicklung von digital unterstütztem Management für Milchviehbetriebe an. Das durch Daten gestützte, vernetzte Informationssystem soll zu einer weiteren Verbesserung der Tiergesundheit, des Tierwohls und der Produktqualität beitragen

Neun Themenblöcke rund um Innovationen zur Verbesserung der Tiergesundheit im Milchrindbereich

Diese Themen spiegelten sich auch in den neun Themenblöcken wider, in welchen nach einem einleitenden Keynote-Vortrag mit einem Überblick über den aktuellen Stand des Wissens, aktuelle und künftige Innovationen vorgestellt wurden, die das Wohlbefinden der Kühe und die Nachhaltigkeit der Milchviehhaltung verbessern sollen. Der Kongress schlug somit eine Brücke zwischen innovativer Forschung und praktischen Anwendungen.

⇒ Stallklima

M. Klopcic (Universität Ljubljana, Slowenien) gab zur Einleitung einen Überblick über neue Entwicklungen und innovative Stall- und Einstreusysteme. Dass der Bereich Stallklima durch den Klimawandel an Bedeutung gewinnt, war am Fokus auf das Thema Hitzestress erkennbar. M. Jattiot (Innoval, Frankreich) betonte die Wichtigkeit der Verbesserung des Stallklimas in Ställen, in welchen Hitzestress vorkommt, durch teils einfache Umbauten (wie z.B. durch zusätzliche Lüftungsöffnungen). B. Fagoo (Idele, Frankreich) stellte eine Methode zur Untersuchung des Temperaturkomforts der Milchkühe während heißem Wetter im Stall vor und bekräftigte die Bedeutung der Reduktion der Sonneneinstahlung für das Stallklima. P. Lemal (UniLiege, Belgien) arbeitet an einer Erkennung von Hitzestress in Milchproben mittels Veränderungen in der Immunantwort.

⇒ MIR

Auch an der Weiterentwicklung der Verwendung der routinemäßig erhobenen Milch-Mid-Infra-Rot-Spektren, um zusätzliche Informationen zu erhalten, wird gearbeitet. C. Grelet (CRA-W, Belgien) beschäftigt sich beispielsweise mit der Untersuchung auf Biomarker, die das Monitoring des physiologischen Gleichgewichtes erlauben, mit dem Ziel, einfach, billig und regelmäßig Hinweise auf den Gesundheitsstatus zu bekommen. A. Tedde (TERRA, Belgien) arbeitet an der Erkennung mittels Milch-MIR-Spektren, ob die Kuh auf der Weide war.

⇒ Tools

B. Aernouts (KU Leuven, Belgien) gab einen Überblick über neue Entwicklungen und zukünftige Möglichkeiten zur Untersuchung der Milchqualität am Betrieb und D. Lefebvre (Lactanet, Kanada) zeigte neue Entwicklungen bei Tools zur Entscheidungsunterstützung auf den Betrieben. Er stellte auch den von Lactanet entwickelten „Sustainability index“ vor, der einen Überblick und ein Benchmarking für die Nachhaltigkeit der Betriebe ermöglicht.

Mehrere Gruppen haben weitere Tools, die die Fettsäurezusammensetzung aus Milchspektren zur Entscheidungsunterstützung im Herdenmanagement verwenden, vorgestellt, wie OPTIMIR (L. Manciaux, Innoval, Frankreich), den Futter- und Energiebilanz-Report und Methan-MIR-Report (L. Dale, LKV Baden-Württemberg, Deutschland) oder das Tool Profilab (D. Lefebvre, Lactanet, Kanada). Über die Validierung des Keto-MIR-Reports zur Erkennung von subklinischer Ketose mit österreichischen Daten und dessen Verbesserung für die Fleckviehpopulation wurde berichtet (A. Köck, ZuchtData, Österreich).

⇒ Daten für gesündere Kühe

E. Vanbergue (Institut de l`Elevage, Frankreich) gab einen Überblick über den aktuellen Stand und neue Entwicklungen von datengetriebenen Managementmöglichkeiten für Tiergesundheit und Tierwohl. D. Schwartz (Foss, Dänemark) stellte die differenzierte Zellzahl als neuen Parameter für die Eutergesundheit bei der Milchleistungsprüfung vor. Mithilfe der Zellzahl und der differenzierten Zellzahl kann in vier Gruppen (eutergesund, beginnende, aktive und chronische Mastitis) eingeteilt werden. Das bietet Vorteile besonders bei der Früherkennung von Mastitis.

M. Calmels (Seenovia, Frankreich) präsentierte das in Frankreich seit 2018 verfügbare System Genocells. Genocells ist eine Technologie, die die individuelle Zellzahl von Kühen durch Genotypisierung der Tankmilch feststellt. Wenn alle Kühe der Herde genotypisiert sind, zeigt es jene Kühe an, die am meisten zur Zellzahl in der Tankmilch beitragen, bei Verfügbarkeit der Milchleistung der einzelnen Kühe wird auch die Zellzahl der einzelnen Tiere errechnet.

K. Linke (ZuchtData, Österreich) präsentierte das seit März im LKV-Herdenmanager verfügbare Benchmarking für Klauengesundheit, das Kennzahlen zur Klauengesundheit am eigenen Betrieb anzeigt und eine Übersicht über die Klauengesundheit am eigenen Betrieb im Vergleich mit anderen österreichischen Betrieben erlaubt.

R. Reents (vit, Deutschland) berichtete über iDDEN (International Dairy Data Exchange Network), ein neues Datenaustauschnetzwerk für Rinderdaten, in welchem sich Organisationen in bäuerlicher Hand (Milchleistungsprüfung, Zucht, RDV, …) aus 13 Ländern mit dem Ziel, den Datenaustausch durch ein zentrales Datenaustauschsystem zu erleichtern, zusammengeschlossen haben. P. Majcen (Landwirtschaftskammer, Österreich) sprach über rechtliche Aspekte bei der Datennutzung und stellte das Datenaustauschkonzept von D4Dairy vor.
F. Penagos Tabares (Vetmeduni Wien, Österreich) präsentierte den Einfluss von Futter und Umweltfaktoren auf die Mykotoxinkontamination in Rationen österreichischer Milchkühe.

⇒ Zucht

Y. de Haas (WUR, Niederlande) präsentierte aktuelle, internationale Entwicklungen in der Zucht im Hinblick auf Futtereffizienz, Methanreduktion, Tierwohl und Big Data. D. Duarte (TERRA, Belgien) stellte die genomische Zuchtwertschätzung für den Kalbeverlauf für Holstein und Weißblaue Belgier und deren Kreuzungen zur Entscheidungsunterstützung bei Beef-on-Dairy-Anpaarungen vor. K. Wijnrocx (TERRA, Belgien) schilderte die genomische Zuchtwertschätzung für Holstein-Jungtiere in der Region Wallonien zur Unterstützung von Zuchtentscheidungen.
Aus D4Dairy wurden neue Ergebnisse zu Hilfsmerkmalen präsentiert, wie die Verwendung des Laktosegehaltes als Hilfsmerkmal für die Eutergesundheit (A. Costa, Universität Padua, Italien) oder dass BHB in Milch (Schnelltest) und Blut als ein gemeinsames Hilfsmerkmal in der genetischen Analyse verwendet werden kann (B. Fürst-Waltl, BOKU, Österreich).

⇒ Methan

Auch zum Thema Methan wird international geforscht. J. Lassen (Viking Genetics, Dänemark) präsentierte die Verwendung des CFIT-Kamerasystems als neue Technologie für die genetische Selektion für verbesserte Futtereffizienz und reduzierte Methanemissionen. A. Vanlierde (CRAW, Belgien) untersuchte die Möglichkeit der Nutzung von NIR-Spektren aus dem Kot zur Schätzung der Methanemissionen. N. Gengler (Gembloux Agro-Bio Tech, Belgien) stellte genetische Parameter von MIR-Methan-Schätzungen und dessen Verhältnis zu Leistungsparametern vor.

⇒ Sensoren

M. Iwersen (Vetmeduni Wien, Österreich) sprach über aktuelle und zukünftige Entwicklungen und Herausforderungen bei der Verwendung von Sensoren zur Überwachung der Tiergesundheit und des Tierwohls. Z. Vassilev (Hahn-Schickard, Deutschland) stellte das SESAM-Sensorsystem vor und es wurde über die Fortschritte in den im Rahmen von D4Dairy durchgeführten Arbeiten zur Erkennung von Lahmheiten (L. Lemmens, Vetmeduni Wien, Österreich) und Stoffwechselgesundheit (K. Schodl ZuchtData, BOKU, Österreich) mittels Sensoren berichtet.

⇒ Soziale und ökonomische Aspekte

M. Drillich (Vetmeduni Wien, Österreich) stellte die Erwartungen, Forderungen und Ängste zum Thema Digitalisierung und Sensortechnologien sowie die D4Dairy-Umfragen unter Landwirte und Landwirtinnen und Tierärzte und -ärztinnen vor. F. Naderlinger (BOKU, Österreich) präsentierte die Auswirkungen, die ein Umstieg auf AMS auf die Leistungsdaten österreichischer Betriebe hatte. Y. Chen (Universität Utrecht, Niederlande) schilderte die Verwendung von Merkmalen der Herdenlaktationskurve für die ökonomische Bewertung. A. Granados Chapatte (EFFAB, FABRE TP) sprach über die EU-politischen Rahmenbedingungen und Herausforderungen für Tierzüchter und -züchterinnen und betonte die Notwendigkeit der Kommunikation und Vertretung von Seite der Tierzucht in den EU-Plattformen.

Austausch mit internationalen Fachexperten und -expertinnen

Für viele Teilnehmenden war es der erste Kongress nach einer längeren Corona-Pause und umso mehr wurde nach den Vorträgen die Gelegenheit zur Diskussion geschätzt. Die Teilnehmenden nutzten auch die Möglichkeit, sich während des Rahmenprogrammes weiter auszutauschen. Das wunderschöne Namur zeigte sich mit sonnigem Wetter von seiner besten Seite und rundete so den sehr erfolgreichen Kongress ab.

Weitere Informationen und Fotos vom Dair`Innov Kongress: https://www.dairinnov.eu/

Autor: Kristina Linke, ZuchtData

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