In der Ausgabe 3/2024 des Fleckvieh Austria-Magazins wurde gezeigt, wie gut die Single-Step-Zuchtwerte für Milch und den Gesamtzuchtwert passen. In diesem Beitrag soll auf die ebenso wichtigen Fitness- und Gesundheitszuchtwerte sowie auf das Exterieur eingegangen werden.
In der Single-Step-Zuchtwertschätzung (ZWS), die im April 2021 eingeführt wurde, werden Leistungen, Abstammungen und Genominformationen gleichzeitig und somit in einem Schritt berücksichtigt und bestmöglich kombiniert. Mittlerweile stehen beim Fleckvieh bereits fast 800.000 Genotypen für die ZWS zur Verfügung. Wie bei den in Ausgabe 3/2024 präsentierten Analysen wird auch bei den Fitnessmerkmalen gezeigt, wie gut der alte Single-Step-Zuchtwert (ZW) vom April 2021 die Leistungsunterschiede hinsichtlich Fitness, Gesundheit und Exterieur vorausgesagt hat, also wie gut die genomischen Zuchtwerte ohne Nachkommeninformation mit den späteren Nachkommenleistungen zusammenpassen. Da der Fitnesskomplex sehr umfangreich ist, können nur einzelne Merkmale exemplarisch dargestellt werden.
Nutzungsdauer
Die Nutzungsdauer ist ein äußerst wichtiges Merkmal, allerdings für diese Analyse schwierig, weil die Töchter von einem Stier, der im April 21 noch ein genomischer Jungvererber (GJV) war, noch gar nicht die Chance hatten, ihre volle Nutzungsdauer zu zeigen. Daher wurde als Merkmal der Anteil der Töchter, die seither zumindest bereits eine zweite beziehungsweise dritte Abkalbung erreicht haben, gewählt. Hier zeigt sich, dass etwa fünf Prozent beziehungsweise sieben Prozent mehr Töchter von einem GJV mit einem Nutzungsdauer-ZW von mindestens 120 die zweite beziehungsweise dritte Laktation erreicht haben als Töchter von Stieren mit einem knapp unterdurchschnittlichen alten Nutzungsdauer-Zuchtwert (Abb. 1).
Abb. 1: Anteil Töchter, die zumindest bereits die 2. bzw. 3. Abkalbung erreicht haben (Stand Apr. 24), gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für Nutzungsdauer vom Apr. 21 als GJV
Kalbeverlauf
Für den Kalbeverlauf wurde die paternale Schwergeburtenrate als Merkmal gewählt. Generell zeigt sich, dass die Schwergeburtenrate mittlerweile bereits sehr niedrig ist, sicher auch ein Verdienst der genomischen ZWS. Bei den Abkalbungen von GJV mit einem paternalen Kalbeverlaufs-ZW von mindestens 115 gab es weniger als halb so viele Schwergeburten wie bei Stieren mit leicht unterdurchschnittlichem Kalbeverlauf paternal (Abb. 2). Der Unterschied ist sogar etwas unterschätzt, weil Stiere mit mäßigem Kalbeverlaufs-ZW tendenziell eher auf unproblematische, rahmige Kalbinnen/Kühe eingesetzt werden und umgekehrt. Daraus kann man schließen, dass man sich auf diese Zuchtwerte verlassen und durchaus auch GJV auf Kalbinnen einsetzen kann. Selbst bei leicht unterdurchschnittlichen paternalen Kalbeverlaufszuchtwerten hält sich das Risiko in Grenzen.
Abb. 2: Durchschnittliche Schwergeburtenrate (Stand Apr. 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für den paternalen Kalbeverlauf vom Apr. 21 als GJV
Gesundheit
Im Eutergesundheitswert (EGW) steckt bekanntlich zu 70 Prozent die Zellzahl und zu 30 Prozent die Mastitis. Die Töchter von Stieren mit einem EGW unter 94 im April 21 (ohne Töchterleistungen in der ZWS) haben in der ersten Laktation eine durchschnittliche Zellzahl von circa 150.000 und in der zweiten Laktation von 200.000 (Abb. 3). Bei den Töchtern der besten GJV nach EGW liegen die Werte bei 90.000 beziehungsweise 120.000, also eine um 60.000 beziehungsweise 80.000 niedrigere Zellzahl. Die Mastitisrate (bis 150. Laktationstag) liegt bei einem alten EGW unter 94 beziehungsweise über 115 bei 5,4 beziehungsweise 3,8 Prozent (ohne Abbildung), somit ebenfalls ein deutlicher Unterschied in der erwarteten Richtung.
Abb. 3: Durchschnittliche Zellzahl (Stand Apr. 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für den Eutergesundheitswert (EGW) vom Apr. 21 als GJV
Wenn man sich direkt den Zusammenhang zwischen altem Mastitis-ZW als GJV und späterer Mastitisrate der Töchter (bis 150. Laktationstag) ansieht (Abb. 4), zeigt sich eine Differenz von zwei Prozentpunkten zwischen der obersten und untersten ZW-Klasse. Trotz niedriger Erblichkeit und damit vergleichsweise niedrigeren Sicherheiten zeigen sich deutlich günstigere Absolutzahlen mit höheren Zuchtwerten.
Abb. 4: Durchschnittliche Mastitisrate bis 150. Laktationstag (Stand Apr. 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für die Mastitis vom Apr. 21 als GJV
Exterieur
Das Exterieur ist nicht zuletzt wegen des Zusammenhangs zu Funktionalität, Fitness und Gesundheit von großem Interesse. Durch die spezielle Bedeutung des Euters wird die Euternote als Beispiel aus der Vielzahl an Exterieurmerkmalen herausgegriffen. In Abbildung 5 ist der Zusammenhang zwischen dem rein genomischen Single-Step-ZW für die Euternote vom April 21 (also noch ohne Töchterinformation) und der späteren durchschnittlichen Euternote der österreichischen Töchter dargestellt. Hier zeigt sich ein auf den ersten Blick scheinbar unlogischer Zusammenhang bei ungefähr durchschnittlichen Euterzuchtwerten. Dieser Zusammenhang ergibt sich allerdings einfach daraus, dass Stiere mit bescheidenen Euterzuchtwerten rund um 100 überwiegend auf Kühe mit gutem Euter beziehungsweise mit höheren Euterzuchtwerten eingesetzt werden, sodass die Nachkommen relativ gut abschneiden. Das ergibt sich auch aus der Verwendung von Anpaarungsprogrammen, wo das Euter einen entsprechend hohen Stellenwert aufweist. Um dieser Verzerrung zu entgehen, ist es notwendig, solche Einflussfaktoren wie Anpaarungsniveau oder Betriebs- und Bewertereinflüsse zu korrigieren. Diese von diversen Einflussfaktoren korrigierten Noten sind als Abweichung von der untersten ZW-Klasse in Abbildung 6 dargestellt. Es zeigt sich ein nahezu linearer Anstieg der Euternote der Töchter mit höherem Euter-ZW als GJV. Sehr ähnlich sind die Zusammenhänge auch beim Fundament, allerdings mit geringerer Bandbreite (ohne Abbildung).
Abb. 5: Durchschnittliche Euternote (nur österr. Daten, Stand Apr. 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für das Euter vom Apr. 21 als GJV
Abb. 6: Durchschnittliche korrigierte Euternote (Stand Apr. 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW für das Euter vom Apr. 21 als GJV (umweltkorrigiert als Abweichung von unterster ZW-Gruppe)
Fazit
Wie bei den Analysen zu Milch und Gesamtzuchtwert kann auch bei Fitness und Exterieur ein absolut positives Resümee zur Vorhersagequalität und Zuverlässigkeit der Single-Step-Zuchtwerte gezogen werden. Der Einsatz von Stieren mit höheren Zuchtwerten, sowohl von genomischen Jungvererbern, aber auch von nachkommengeprüften Stieren, macht sich in allen Merkmalsbereichen bezahlt.
Das Single-Step-System funktioniert sehr gut, nichtsdestotrotz ist es notwendig, an weiteren Verbesserungen zu arbeiten. Allerdings hilft das beste Zuchtwertschätzsystem nicht viel, wenn Daten speziell im Gesundheitsbereich unvollständig erfasst werden. Single-Step kann sehr viel, aber ohne entsprechende Datenqualität und -quantität wird es schwierig, größere Fortschritte im Fitness- und Gesundheitsbereich zu erreichen!
LIMAS (gezüchtet von Monika und Hannes Bauer, Heidenreichenstein), eine Tochter von WINTERTRAUM, der schon als Jungvererber mit hohen Zuchtwerten im Euter und in der Eutergesundheit überzeugte
Autoren: Dr. Christian Fürst, Dr. Hermann Schwarzenbacher und Dipl.-Ing. Judith Himmelbauer, MEd, ZuchtData