3 Jahre Single-Step

Wie gut passen die Zuchtwerte?

Im April 2021 wurde die Zuchtwertschätzung (ZWS) auf das aktuell bestmögliche Verfahren, die sogenannte Single-Step-Methode, umgestellt. Wie sieht die erste Bilanz nach drei Jahren aus? Wie gut halten die Zuchtwerte und wie aussagekräftig sind sie?

Was ist Single-Step?

Bei der Single-Step-ZWS handelt es sich um das international modernste ZWS-Verfahren, das von der gemeinsamen ZWS DE-AT-CZ als einem der ersten ‚Länder‘ eingeführt wurde. In der Single-Step-ZWS werden alle verfügbaren Informationen, also Leistungen, Abstammungen und Genominformationen, gleichzeitig und somit in einem Schritt berücksichtigt und bestmöglich kombiniert. Das bedeutet, dass alle genotypisierten Stiere und Kühe mit Leistung Teil der sogenannten Lernstichprobe sind und somit zu höheren Sicherheiten beitragen. Im April standen bereits 720.947 Genotypen zur Verfügung, beispielsweise 276.986 von Kühen mit Milchleistung oder von 617.068 Kälbern für den Vitalitätswert. Das unterstreicht die Bedeutung der Kuhtypisierungsprojekte wie FoKUHS Herde.

Wie gut halten die Zuchtwerte?

Für die Analyse der Stier-Zuchtwerte wurden alle 998 AT- und DE-Fleckvieh-Stiere, die im April 2021 (erste Single-Step-ZWS) noch genomische Jungvererber (GJV) und bei der ZWS im April 2024 bereits nachkommengeprüfte Stiere waren, verwendet. Als offiziell nachkommengeprüft (NK) gilt ein Stier dann, wenn die GZW-Sicherheit mindestens 82 Prozent beträgt, Töchter in mindestens 10 Herden eine Milchleistung aufweisen und bereits 20 Töchter in die Exterieur-ZWS eingegangen sind. Als zusätzliches Kriterium mussten mindestens 10 abgeschlossene Erstlaktationsleistungen der Töchter bei der aktuellen ZWS vorliegen.

In Abbildung 1 sind die durchschnittlichen Gesamtzuchtwerte dieser Stiere von April 21 und April 24 dargestellt, gruppiert nach altem GZW vom April 21. Man kann erkennen, dass die Zuchtwerte in allen Gruppen in ähnlichem Ausmaß zurückgehen. Dieser Rückgang erklärt sich überwiegend aus der Basisanpassung von -7,3 GZW-Punkten seit April 21. Berücksichtigt man die Basisanpassung errechnen sich für die Gruppen Differenzen zwischen -0,9 und -2,6 Punkten, in der Top-Gruppe über GZW 135 liegt sie nur bei -1,1. Das bedeutet, dass die Zuchtwerte auch in der züchterisch besonders interessanten Top-Gruppe im Schnitt sehr gut halten.

Bei den einzelnen Merkmalen im GZW oder auch beim Exterieur sieht es recht ähnlich aus wie hier für den GZW dargestellt. Im Vergleich zu den aktuellen Zuchtwerten ist bei dem einen oder anderen Merkmal eine Über-/Unterschätzung um einzelne ZW-Punkte festzustellen, es sind aber keine grundlegenden Verwerfungen zu beobachten. An einer weiteren Verbesserung wird aber selbstverständlich laufend gearbeitet.

Abb. 1: GZW der Fleckvieh-Stiere, die von „Jungvererber“ (April 21) auf „nachkommengeprüft“ (April 24) gewechselt haben, gruppiert nach altem GZW. Die Basisanpassung betrug in diesem Zeitraum -7,3 Punkte und wurde in dieser Abbildung nicht miteingerechnet

Abb. 1 GZW der FV-Stiere, die von Jungvererber auf nachkommengeprüft gewechselt haben


In Abbildung 2 sind die basisangepassten GZW-Änderungen der 41 Stiere in der Top-Gruppe mit einem alten GZW von mindestens 135 dargestellt. Man sieht, dass es ungefähr gleich viele und gleich starke Änderungen nach oben und unten gibt. Am unteren Ende liegen aktuell die beiden Stiere VISION1 und SPARTACUS. VISION1 ist von GZW 136 im April 21 auf 117 im April 24 gefallen, also insgesamt -19, davon aber -7,3 Punkte allein aufgrund der Basisanpassung. Die positivste Veränderung zeigt GS WABANGO, der trotz Basisanpassung von 135 auf 138 gestiegen ist.

Abb. 2: GZW-Änderungen (basisangepasst) der Top-Gruppe nach historischem GZW (mind. 135 im April 21)

Abb. 2 GZW-Änderungen (basisangepasst) der Top-Gruppe nach historischem GZW (mind. 135 im April 21)

Was sagen die Stier-Zuchtwerte aus?

Die Stabilität der Zuchtwerte ist selbstverständlich wichtig, noch wichtiger ist allerdings die Vorhersagequalität von Single-Step-Zuchtwerten auf die spätere Leistung der Nachkommen beziehungsweise auf die eigene Leistung.

In Abbildung 3 ist der Zusammenhang zwischen dem Single-Step-Zuchtwert für die Milchmenge als GJV im April 21 mit den späteren Leistungen ihrer Töchter in der 1., 2. und 3. Laktation dargestellt. Man kann gut erkennen, dass höhere Zuchtwerte auch mit deutlich höheren Töchterleistungen verbunden sind. Allerdings produzieren die Töchter bekanntlich in unterschiedlichsten Herdenniveaus und stammen von genetisch sehr unterschiedlichen Kühen ab, sodass diese einfache Darstellung der rein phänotypischen Leistungen nur eine begrenzte Aussage zulässt. Richtiger ist es, die Leistung nach Korrektur der Umwelteinflüsse und des Anpaarungsniveaus darzustellen (korrigierte Leistungen, Fachausdruck: yield deviations YD). Aus der Darstellung in Abbildung 4 kann man sehr gut erkennen, dass die Voraussage der durchschnittlichen Töchterleistungen basierend auf dem Single-Step-ZW als GJV ausgezeichnet funktioniert. Die grünen Säulen zeigen die aufgrund der ZW-Unterschiede als GJV theoretisch erwarteten Differenzen über alle Laktationen im Vergleich zur untersten Gruppe (≤399 kg). In der höchsten Gruppe (über 1000 kg ZW) wird im Schnitt eine Überlegenheit von +467 kg pro Laktation im Vergleich zur untersten Gruppe erwartet. Die tatsächlich erreichten Werte (+439 in der 1., +486 in der 2. und +513 kg in der 3. Laktation) passen also nahezu perfekt zur theoretischen Erwartung. Das passt auch genau zur Annahme, dass man bei Stieren mit einem ZW von +1000 kg Milch erwarten kann, dass seine Töchter (bei Anpaarung an eine durchschnittliche Stichprobe und in einer durchschnittlichen Umwelt) eine um 500 kg überdurchschnittliche Milchleistung pro Laktation aufweisen.

Abb. 3: Durchschnittliche Töchter-Milchleistungen (Stand April 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als GJV


Abb. 4: Durchschnittliche bzw. theoretisch erwartete Töchter-Milchleistungen (Stand April 24) nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als GJV (umweltkorrigiert als Abweichung von unterster Gruppe)

Abb. 4: Durchschnittliche bzw. theoretisch erwartete Töchter-Milchleistungen (Stand April 24) nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als GJV (umweltkorrigiert als Abweichung von unterster Gruppe)


Kann man sich auf die Zuchtwerte von Kalbinnen verlassen?

Interessant ist nicht nur der Zusammenhang zwischen Stier-Zuchtwert und Töchterleistung, sondern auch der Zusammenhang zwischen dem Zuchtwert als Jungrind beziehungsweise Kalbin und der späteren Leistung als Kuh.

Abbildung 5 zeigt den Zusammenhang zwischen dem Single-Step-ZW für die Milchmenge von 31.639 Jungrindern beziehungsweise Kalbinnen vom April 21 (ohne Eigenleistung) und der bisher vorliegenden (unkorrigierten) Absolutleistung dieser Tiere. Kühe, die im April 21 (als Jungrind/Kalbin) einen Single-Step-ZW für Milchmenge von mindestens +1000 hatten, weisen eine durchschnittliche Leistung von 8.925/10.025/10.778 kg in der 1./2./3. Laktation auf. Damit liegen sie um 1.800 bis fast 2.000 kg über der Gruppe mit etwa durchschnittlichem Zuchtwert für Milchmenge. Da Tiere mit hohen Zuchtwerten im Schnitt in Betrieben mit besserem Management stehen, ist es auch hier notwendig, die Leistung auf vergleichbare beziehungsweise durchschnittliche Umweltverhältnisse zu korrigieren. In Abbildung 6 sind diese umweltkorrigierten Leistungen dargestellt. Die Überlegenheit in den einzelnen Gruppen entspricht, ähnlich wie bei den Stieren, praktisch exakt den theoretischen Erwartungen. Beispielsweise zeigen die Jungrinder/Kalbinnen mit einem Zuchtwert von mindestens +1.000 kg Milch später als Kühe im Schnitt um über 1.000 kg höhere Leistungen.

Diese sehr gute Übereinstimmung mit der Theorie lässt sich selbstverständlich nicht auf jedes Einzeltier übertragen. Bei einzelnen Kühen können die Abweichungen von der theoretischen Erwartung gravierend sein, wie aus der Abbildung 7, einer Boxplot-Darstellung für die 1. Laktation, ersichtlich ist. In der +1.000-Gruppe gibt es zum Beispiel einzelne Tiere, die sogar unter -1.000 kg liegen, andererseits gibt es zum Beispiel auch ein paar Tiere aus der untersten Gruppe, die sogar über +2.000 kg umweltkorrigierte Leistung aufweisen.

Abb. 5: Durchschnittliche Milchleistungen (Stand April 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als Jungrind/Kalbin

Abb. 5: Durchschnittliche Milchleistungen (Stand April 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als Jungrind/Kalbin


Abb. 6: Durchschnittliche bzw. theoretisch erwartete umweltkorrigierte Milchleistungen (Stand April 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als Jungrind/Kalbin

Abb. 6: Durchschnittliche bzw. theoretisch erwartete umweltkorrigierte Milchleistungen (Stand April 24) gruppiert nach historischem Single-Step-ZW vom April 21 als Jungrind/Kalbin


Abb. 7: Zusammenhang zwischen genom. Milch-ZW als Jungtier (Apr. 21) und umweltkorrigierter Erstlaktationsleistung als Kuh (Stand April 24) als Boxplot-Darstellung (im braunen Kasten liegen die mittleren 50 % der Daten, die Antennen beziehungsweise Punkte zeigen die Streubreite an)

Abb. 7: Zusammenhang zwischen genom. Milch-ZW als Jungtier (Apr. 21) und umweltkorrigierter Erstlaktationsleistung als Kuh (Stand April 24) als Boxplot-Darstellung (im braunen Kasten liegen die mittleren 50 % der Daten, die Antennen beziehungsweise Punkte zeigen die Streubreite an)


Single-Step funktioniert!

Die Analysen nach 3 Jahren Single-Step-ZWS zeigen, dass die Zuchtwerte den theoretischen Erwartungen entsprechend stabil sind und die erwarteten höheren Töchter- beziehungsweise Eigenleistungen tatsächlich realisiert werden. Die Single-Step-Zuchtwerte sind nicht nur für die Selektion der Besamungsstiere geeignet, sondern ermöglichen auch auf der weiblichen Seite eine bessere Differenzierung und damit eine sicherere Selektionsentscheidung. Das gilt einerseits für den Spitzenzuchtbereich, aber auch für die innerbetriebliche Selektion. Die Genotypisierung von weiblichen Tieren (zum Beispiel FoKUHs Herde) ist daher eine sinnvolle Investition zur Optimierung der Selektion und Anpaarung.

Dr. Christian Fürst, Dr. Hermann Schwarzenbacher und Dipl.-Ing. Judith Himmelbauer, MEd, ZuchtData

weitere interessante News