Fruchtbarkeit – The High Fertility Cycle

Die Fruchtbarkeit von Milchkühen spielt eine zentrale Rolle in der modernen Milchviehhaltung. Ein sehr interessantes Konzept zu diesem Thema ist der sogenannte „High Fertility Cycle“ (Hochfertilitätszyklus). Dieses Modell beschreibt spezifische Maßnahmen, wodurch die Fruchtbarkeit sowie die Herdengesundheit deutlich verbessert werden können.

Die Tiere sollen früh trächtig werden

Ganz entgegen dem Trend der verlängerten Zwischenkalbezeit liegt das Grundkonzept beim „High Fertility Cycle“ auf einer möglichst kurzen Zwischenkalbezeit. Um dies schlüssig erklären zu können, müssen wir den Startschuss bei überkonditionierten Trockenstehern setzen. Zu fette Kühe sind ohne Zweifel absolute Risikotiere für etwaige Stoffwechselerkrankungen wie Ketose, Milchfieber oder Nachgeburtsverhalten. Das Problem bei diesen überkonditionierten Tieren ist der tendenziell zu starke Konditionsverlust nach dem Kalben. Im Zuge einer starken Körperfettmobilisation wird der Energiestoffwechsel beziehungsweise die Leber überstrapaziert. Neben den bereits angesprochenen gesundheitlichen Risiken leidet auch die Fruchtbarkeit signifikant.

Verfettete Trockensteher sind Risikotiere!

Aus diesem Grund sieht man in den USA inzwischen die Folgen von verfetteten Tieren noch kritischer. Daher wurde die allgemeine Empfehlung der Körperkondition (BCS) zum Zeitpunkt des Kalbens nach unten revidiert. Der Gedanke liegt darin, dass geringere Konditionsverluste nach der Geburt die Stoffwechselbelastung der Tiere reduziert, was in weiterer Folge wie bereits angesprochen zu gesünderen Tieren (geringere Ketose-Werte, weniger Nachgeburtsverhalten etc.) führt. Diese „gesünderen“ Tiere weisen nachweislich bessere Fruchtbarkeitsraten auf. Anhand dieser Erkenntnis wird klar, dass das Vermeiden von zu fetten Tieren von enormer Bedeutung ist. Ein „Schlüsselfaktor“ neben der Rationsgestaltung ist der Zeitpunkt der erfolgreichen Belegung. Werden die Tiere möglichst früh belegt, haben die Kühe zum Zeitpunkt des Trockenstellens eine tendenziell höhere Milchleistung. Hohe Milchleistungen bei den Altmelkern sind die einfachste und effizienteste Maßnahme, um das Verfetten der Tiere zu vermeiden.

Werden die Tiere hingegen zu spät tragend, kann selbst eine perfekte Rationsgestaltung sowie eine hohe genetische Persistenz der Verfettung des Tieres nicht standhalten. An dieser Stelle muss natürlich erwähnt werden, dass das individuelle Fütterungssystem ebenfalls eine Rolle spielt. Eine Kuh mit 20 Liter Milch hat bei einer Fütterung mit Voll-TMR natürlich ein höheres Risiko, als wenn die Kraftfuttergaben per Transponder gefüttert werden. Dennoch muss gesagt werden, dass es auch bei der Transponderfütterung zu verfetteten Tieren kommen kann.

Persistenz durch gezielte Fütterung steigern

Neben einer guten Fruchtbarkeit hat natürlich auch die Fütterung einen erheblichen Einfluss auf den Konditionsverlauf der Tiere. Es ist paradox, doch mehr Energie in der Ration kann tatsächlich zu einem reduzierten Anteil an verfetteten Tieren führen. Speziell wenn durch den Einsatz von hochwertigem Grundfutter sowie Kraftfutter die Belastung durch eine Ketose reduziert wird, können die Tiere die Milchleistung tendenziell besser halten. Diese Stoffwechselerkrankung kann sehr gut über das Messen der BHB (Beta-Hydroxy-Butyrat)-Werte vom Blut der betroffenen Tiere mittels eines Schnelltests festgestellt werden. Lediglich Einzeltiere sollten Werte über 1,2 mmol aufweisen. Im Zuge dessen muss auch erwähnt werden, dass sich das kontinuierliche Ergänzen von einem Flüssigfutter (Propylenglykol) bis zum 60. Laktationstag als sehr effiziente Ketose-Prophylaxe bewährt hat. Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Kontinuität der Ration. Speziell Altmelker verlieren bei akuten Futterumstellungen zu viel Milchleistung. In den meisten Fällen steigen solche Tiere auch nicht mehr auf dasselbe Milchleistungsniveau an. Dennoch wird es jedem Betrieb passieren, dass Einzeltiere etwas zu stark mit der Milchleistung abfallen. Bei solchen Kühen muss die Körperkondition kritisch kontrolliert werden. Wird das Kraftfutter über einen Transponder oder über einen Melkroboter gefüttert, ist das Reduzieren der Kraftfuttermenge vor dem 200. Laktationstag meist kontraproduktiv. Das Reduzieren vom Leistungsfutter führt zwar kurzfristig zu einer reduzierten Energiezufuhr und somit zu einem verminderten Körperfettaufbau, jedoch geht meistens mit der Kraftfutterreduktion ein weiterer Knick in der Milchleistung einher. Und wie ich es bereits angesprochen habe, ist das beste Mittel gegen einen übermäßigen Körperfettaufbau eine adäquate Milchleistung. Ab dem 200. Laktationstag sollten sämtliche Kraftfuttergaben natürlich der Milchleistung angepasst werden. Im Falle einer AGR- oder TMR-Fütterung sollten bereits verfettete Tiere frühzeitig trockengestellt werden, um weitere Konditionszunahmen zu verhindern.

(Auszug aus dem Artikel „Fruchtbarkeit – The High Fertility Cycle“ von Ing. Jonas Schiffer, unabhängiger Fütterungsberater; Tel. 0664 34 13 068 | www.isuba.at; Fleckvieh Austria Magazin 1/25)