Eine Vielzahl von Studien und Praxiserfahrungen der letzten Jahre zeigt, dass die intensive Fütterung von Kälbern mit Milch während der Tränkeperiode nicht nur kurzfristig vorteilhaft ist, sondern langfristig die spätere Leistung und Stoffwechselstabilität der Milchkühe beeinflusst.
Über eine geraume Zeit vertraten die Experten bei der Kälberaufzucht die Meinung, keine zu hohen Milchmengen einzusetzen, um aus dem Kalb rasch einen Wiederkäuer zu machen. Diese bis vor wenigen Jahren durchaus gängigen Fütterungsempfehlungen entsprechen aus heutiger Sicht aber nicht dem tatsächlichen Energie- und Proteinbedarf der Kälber. Empfohlen wird nunmehr das Ad-libitum-Tränkeverfahren.
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Bei diesem Verfahren erhalten die Kälber in den ersten 3 bis 8 Lebenswochen Milch zur freien Aufnahme. Versuche zeigten, dass eine hohe Milchmenge (bis zu 12 Liter pro Tag und mehr) sich in dieser Lebensphase positiv auf die Entwicklung der Kälber bis hin zur späteren Milchleistung auswirkt.
Argumente für die Ad-libitum-Tränke (nach Maccari, 2012, Dissertation Tierärztliche Hochschule Hannover):
- bessere Jugendentwicklung, höhere Tageszunahmen und höhere Abwehrkraft gegenüber Krankheiten
- Kraftfutteraufnahme wird durch hohe Milchmengen nicht gesenkt, sondern im Gegenteil gesteigert
- keine Neigung zu mehr Durchfall durch hohe Milchmengen
- keine Verzögerung der Pansenentwicklung nachweisbar
- Kosten für höhere Milchmengen werden durch weniger Arbeitsaufwand, weniger Medikamenteneinsatz und höhere Verkaufserlöse mehr als ausgeglichen
- artgerechtes Tränkeverfahren, das die Milchaufnahme in der freien Natur nachahmt
- weniger Probleme mit gegenseitigem Besaugen
Voraussetzungen für das Ad-libitum-Tränkeverfahren:
- Milch muss angesäuert werden, solange sie ad libitum verabreicht wird
- Vorlage der angesäuerten Milch bereits ab der zweiten bzw. dritten Gabe zur freien Aufnahme
- Milch muss stets für das Kalb verfügbar sein, Eimer darf nie leer sein
- Eimer abdecken (Fliegen)
- Kraftfutter, Heu und Wasser anbieten
Sauertränke (Kalttränke)
Unter Sauertränke versteht man leicht angesäuerte Milch, die auch kalt getränkt werden kann. Die Ansäuerung kann durch organische Säuren (z. B. Ameisen-, Zitronen-, Essigsäure, fertige Zusätze aus dem Futtermittelhandel) oder durch Joghurt (natürliche Milchsäure) erfolgen. Bei Verwendung von reiner Ameisensäure ist dieser Einsatz aufzuzeichnen, da sie als Futterzusatzstoff gilt (Formblatt in den Landwirtschaftskammern erhältlich).
Angesäuerte Milch ist leichter verdaulich, da durch den Säurezusatz die Milch bereits „vorverdaut“ wird. Durch das Absenken des pH-Wertes der Milch können sich zudem Durchfallerreger im Magen-und Darmbereich wie E. coli weniger stark ausbreiten. Daher hat sich in der Praxis Sauertränke bei Durchfallproblemen gut bewährt.
Auszug aus dem Artikel „Gesunde und fitte Kälber mit Ad-libitum-Milchtränke“ von Ing. Josef Pirklbauer, Beratungsstelle Rinderhaltung OÖ; Fleckvieh-Austria-Magazin 3/2021