In österreichischen Milchviehherden erhalten trockenstehende Kühe in der Regel weit seltener die gleiche tägliche Aufmerksamkeit des Tierhalters als laktierende Kühe. Letztere werden mindestens zweimal täglich gemolken und somit im besten Falle auch zweimal täglich bezüglich Eutergesundheit und Lahmheit kontrolliert.
Herdenschnitt in einem Milchviehbetrieb; rechts im Hintergrund warten die restlichen Kühe auf die Klauenpflege, welche durch ein Zutriebsystem mit Gitterelementen ohne Anstrengung und Stress in den Klauenpflegestand verbracht werden können (© J. Kofler, Vetmeduni Wien)
Zudem sind in vielen Milchviehbetrieben die trockenstehenden Kühe separat von der restlichen Herde aufgestallt, was aus Sicht des Tierwohls vorteilhaft für diese hochträchtigen Kühe ist. Die separate Haltung kann aber dazu führen, dass sich entwickelnde Lahmheiten erst spät in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt und der Tierärztin vorgestellt werden, im schlimmsten Fall etwa drei bis sechs Wochen vor dem erwarteten Abkalbetermin mit allen damit einhergehenden erhöhten Risiken für das Muttertier und das ungeborene Kalb.
Laut ZuchtData Jahresbericht 2022 rangieren in Österreich Fruchtbarkeitsstörungen mit 24,2 Prozent an erster Stelle bei den häufigsten krankheitsbedingten, vorzeitigen Abgangsursachen von Milchkühen, gefolgt von Eutererkrankungen mit 13,2 Prozent und Klauen- und Gliedmaßenerkrankungen mit 7,5 Prozent. Schmerzbedingte Klauenerkrankungen, auch ‚Alarm‘-Erkrankungen genannt (wie zum Beispiel Sohlengeschwür, Sohlenspitzengeschwür, eitriger Wanddefekt, Zwischenklauenphlegmone, akute Form der Mortellaro-Krankheit) und die dadurch verursachten Lahmheiten bedingen negative Auswirkungen auf die Milchleistung und Fruchtbarkeit.
Negative Folgen von Lahmheiten bei Trockenstehern
Lahmheiten bei trockenstehenden Kühen haben zwar keine direkte Auswirkung auf eine Leistungsminderung, sie werden ja nicht gemolken und sind ja bereits trächtig. Dennoch können Lahmheiten bei trockenstehenden Kühen negative Folgen sowohl für die Kuh selbst als auch das ungeborene Kalb haben, dann nämlich, wenn sich aus ursprünglich unkomplizierten Sohlengeschwüren und Weiße-Linie-Defekten (wobei die Kühe erst geringgradig lahm sind) ernsthafte Komplikationen entwickeln wie eine eitrige Entzündung des Klauengelenkes. Diese eitrigen Entzündungen von tiefen Stützstrukturen (Sehne, Knochen, Gelenk) entwickeln sich über mehrere Wochen und die daran erkrankten Kühe zeigen eine hochgradige Lahmheit. Diese Komplikation von ursprünglich nur die Lederhaut betreffenden Klauenleiden wie Sohlengeschwüre, Sohlenspitzengeschwüre und eitrige Weiße-Linie-Defekte (WLD) etc. bergen immer ein gewisses Risiko, dass sich die Bakterien im Rahmen der Entwicklung einer tiefen Infektion auch über den Blutweg ausbreiten und somit zu unheilbaren Infektionen an Herz, Lunge und anderen inneren Organen führen können. Mit jeder Woche näher am erwarteten Abkalbetermin erhöht sich dadurch auch die Gefahr eines Abortus (Verwerfens). Kühe mit den eben geschilderten tiefen Klaueninfektionen werden leider viel zu häufig exakt zu diesem für das Muttertier und das ungeborene Kalb äußerst ungünstigen Zeitpunkt, etwa drei bis sechs Wochen vor dem erwarteten Abkalbetermin, der Tierärztin vorgestellt, weil sich „seit einigen Wochen“ eine hochgradige Lahmheit entwickelt hat und die Kuh nur noch auf drei Beinen geht.
Signale am erkrankten Fuß erkennen
Die Diagnosestellung dieser Fälle mit eitrigen Entzündungen des Klauengelenkes und der benachbarten Stützstrukturen ist relativ einfach, man muss nur die eindeutigen und klar erkennbaren Signale am erkrankten Fuß beachten. Alle solcherart erkrankten Kühe weisen eine mittel- bis hochgradige wulst- und ringförmige Schwellung an der Krone und am Weichballen auf (Abb. 1a). Zudem kann auch eine Kippklaue erkennbar sein, welche anzeigt, dass die tiefe Beugesehne infolge der von einem Sohlengeschwür/eitrigem WLD ausgehenden Infektion völlig durchgefault ist (Abb. 1b). Kühe mit diesen ernsthaften tiefen Klaueninfektionen können zwar meist durch tierärztliche Behandlung zur Abheilung gebracht werden, aber in vielen Fällen ist bei einem derart fortgeschrittenen Stadium der Infektion die erkrankte Klaue nicht mehr zu retten und muss amputiert werden (Abb. 2), um das Überleben der Kuh und oft auch des ungeborenen Kalbes zu sichern. Die im Zuge dieser chirurgischen Behandlung mehrmals notwendigen Manipulationen der hochträchtigen Kuh, wie das Ablegen am Kippstand beziehungsweise das Fixieren im Durchtreibestand für die Operation selbst sowie auch für die mehrmaligen, nachfolgenden Verbandwechsel, stellen wiederum ein großes Risiko (Abort) für das ungeborene Kalb dar. Kühe nach einem Abort entwickeln häufig ein Nachgeburtsverhalten mit eitriger Gebärmutterentzündung, was wiederum tierärztliche Behandlungen erfordert. Damit arten solche Fälle leider in langwierige und kostspielige Behandlungen aus, die man im Hinblick auf das Wohlbefinden der Kuh, des ungeborenen Kalbes und mit Blick auf die eigene Brieftasche besser vermeiden sollte.
Abb. 1a, b: Hinter- (a) und Seitenansicht eines Klauenpaares mit hochgradiger, wulst- und ringförmiger Schwellung am Weichballen und an der gesamten Krone seitlich und vorne an der Außenklaue ausgehend von einem Sohlengeschwür. Diese auffällige Schwellung ist ein sicheres Zeichen, dass eine eitrige Entzündung des Klauengelenkes vorliegt. In der Seitenansicht (b) ist auch eindeutig die Kippklauenbildung zu erkennen: die Klauenspitze der erkrankten Außenklaue ist aufgrund des Zuges der intakten Strecksehne nach vorne oben gekippt, weil die tiefe Beugesehne hinten infolge der fortgeschrittenen tiefen Infektion völlig durchgefault ist (© J. Kofler, Vetmeduni Wien)
Abb. 2: Ansicht 12 Tage nach Amputation einer Außenklaue: die Amputationswunde ist bereits mit gesundem Granulationsgewebe bedeckt, es zeigt sich ein guter Heilungsfortschritt und die Kuh war zu diesem Zeitpunkt nur noch geringgradig lahm (© J. Kofler, Vetmeduni Wien)
(Auszug aus dem Artikel „Aus dem Melkstand aus dem Sinn? – Lahmheiten bei trockenstehenden Kühen“ von Ao.Univ.Prof. Dr. med. vet. Johann Kofler, Dip. ECBHM, Universitätsklinik für Wiederkäuer, Veterinärmedizinische Universität Wien, Veterinärplatz 1, 1210 Wien, Österreich; Johann.Kofler@vetmeduni.ac.at; Priv.-Doz. Dr. Birgit Fürst-Waltl, Department für Nachhaltige Agrarsysteme, Institut für Nutztierwissenschaften, Universität für Bodenkultur Wien, 1180 Wien, Österreich; Dr. Hermann Schwarzenbacher und Dr. Christa Egger-Danner, ZuchtData EDV-Dienstleistungen GmbH, 1200 Wien, Österreich; Fleckvieh Austria Magazin 2/24)