Unmittelbar nach dem denkwürdigen Weltkongress der Fleckviehzucht in Österreich mit der imposanten Bundesschau in Freistadt lud unser Nachbarland Tschechien zum Tag der Fleckviehzucht ein, der zum 15. Mal stattfand.
Es konnte auch dort eine überaus eindrucksvolle Bilanz gezogen werden.
Die Ehrenglocke von Fleckvieh Austria wird an das Betreuungsteam der Agrofarm Kamen überreicht. Stehend re. außen Ing. Johann Tanzler, dritter von rechts Ing. Richard Pichler
Der 8. September 2022 verzeichnete massenhaften Besuch aus dem Veranstalterland selbst und darüber hinaus waren auch Gäste aus Kanada, Deutschland, Slowakei, Polen, Slowenien, China und Österreich gekommen. Da es seit mehr als zwanzig Jahren eine enge Zusammenarbeit in der genetischen Verbesserung (gemeinsame Zuchtwertschätzung Deutschland – Österreich – Tschechien) gibt, ist man natürlich sehr daran interessiert, den Zuchtfortschritt in den einzelnen Ländern anhand der gezeigten Zuchttiere zu begutachten und zu studieren. Österreichs Fahnen vertraten Ing. Johann Tanzler, Wien, und Ing. Richard Pichler, Zwettl, beide waren vormalige Geschäftsführer von Fleckvieh Austria und pflegen nach wie vor sehr gute Kontakte zu allen wichtigen Fleckviehländern in der Welt.
Tschechische Fleckviehzucht meist in Großbetrieben
Sowohl von der Anzahl als auch der Betriebsgrößen unterscheiden sich die Verhältnisse zu unserer Zuchtbasis ganz gewaltig. Während sich in Österreich 14.300 Betriebe mit insgesamt 310.000 Herdebuchkühen (22 pro Betrieb) mit Fleckvieh hauptsächlich in der Zweinutzung Milch und Fleisch, organisiert in 11 Zuchtverbänden, beschäftigen, sind es in Tschechien etwa 600 Farmen mit 125.000 Kühen, was einen durchschnittlichen Kuhbestand von rund 200 ergibt. Das Leistungsniveau beträgt im Nachbarland 7.906-3,96-3,52. Es gibt nur einen Fleckviehverband; der Sitz befindet sich direkt am Ausstellungsgelände in Radešínská Svratka, ein kleiner Ort im Hügelland nördlich der Autobahn von Brünn nach Prag.
Erfreulich für uns war die Feststellung, dass sehr viele bekannte Blutlinien der deutschen und österreichischen Fleckviehzucht zum nachbarschaftlichen Zuchterfolg beitragen und die Tiere selbst unseren Typ-, Format- und Leistungszielen immer ähnlicher werden. Man muss ja wissen, dass die früheren Zuchtprogramme bis um die Zeit der Wende 1989/90 doch eine bedeutend andere Ausrichtung hatten. Heute versorgen elf privat strukturierte Besamungsunternehmen die Zuchtbetriebe aller Rinderrassen.
Die beiden slowakischen Preisrichter Ing. Matus Kohut und Ing. Iwan Pavlow rangierten die 80 Elitekühe aus ganz Tschechien nach unseren Maßstäben und so könnte man in Zukunft durchaus ein großes Championat auf mitteleuropäischer Ebene ins Auge fassen. Man sah Kühe in gutem mittleren Rahmen, genügend bemuskelt, mit hervorragenden Eutern und Fundamenten. Weiters muss auch die Professionalität der Pflege und des Vorführgeschickes hervorgehoben werden.
Ehrenglocke von Fleckvieh Austria
Wie auch bei uns unterstützt eine große Zahl an Sponsoren diese Top-Tierschau und so konnten die Besitzer der Siegertiere wertvolle Preise entgegennehmen. Die Ehrenglocke, gewidmet von Fleckvieh Austria, wurde dem bekannten Exkursions- und Ausstellungs-Zuchtbetrieb Kamen zuerkannt. Kamen holte sich gemäß der slowakischen Juroren den Sieg mit seinen drei Kühen als Kollektion mit der besten Harmonie, den besten Eutern und dem besten Gesamteindruck. Marian Bily ist nicht nur Chef dieser Vorzeigefarm, sondern auch Obmann des tschechischen Fleckviehzuchtverbandes. Viele österreichische Züchterdelegationen haben diesen Betrieb mit 800 Fleckvieh- und 100 Holsteinkühen bereits einmal besucht.
Der tschechische Fleckviehzuchtverband
Der frühere, den Fleckviehzüchtern weltweit bestens bekannte Direktor des Verbandes, Dr. Josef Kučera, musste seine Ämter aus Gründen vieler bedeutsamer höherer Aufgaben (Leiter des Zuchtwertprüfzentrums in Hradistko, Berater des Landwirtschaftsministers und Dozent an der Gregor-Mendel-Universität Brünn) dem jungen tüchtigen Zootechniker Pavel Král übertragen. Ebenso gab es einen Wechsel im Generalsekretariat der WSFF (World Simmental Fleckvieh Federation) in Radešínská Svratka von Kristýna Skopalová, die sich beruflich verändert hat, auf Blanka Dřízhalová. Die junge Dame studierte Zootechnik in Prag, spricht Englisch und wird sich auch in Deutsch weiterbilden. Sie muss sich schließlich mit dem neugewählten Europa- und Weltpräsidenten, dem Österreicher und Obmann von Fleckvieh Austria, Ing. Sebastian Auernig, gut verständigen.
Die Darbietungen in Tschechien waren wieder ein Meilenstein in der europäischen Fleckviehzucht auf dem Weg als beste Zweinutzungsrasse der Welt, besonders in einer Zeit vieler Diskussionen in der breiten Öffentlichkeit um ausbalancierte Zuchtziele, Wirtschaftlichkeit im Einklang mit Tierwohl, Tierschutz, Methanausstoß, Klimawandel, Ressourcenverbrauch u. v. a.
Champion-Kollektion der Zuchtfarm Kamen
Autor: Ing. Richard Pichler, Fleckvieh Austria