Nach mehr als 20 Jahren veröffentlichte die Gesellschaft für Ernährungsphysiologie (GfE) im Herbst 2023 die neuen Versorgungsempfehlungen für Milchkühe in einem 288-seitigen Buch. Die bisherigen Empfehlungen entsprachen nicht mehr dem Stand der internationalen Forschung und wurden deshalb grundlegend überarbeitet.
Deutschland und damit auch Österreich verabschieden sich nun von NEL und nutzbarem Rohprotein (nXP). Die Umsetzung der neuen Empfehlungen ist für Oktober 2025 vorgesehen.
So ist die ME (umsetzbare Energie) künftig der Energiemaßstab für alle Wiederkäuer. Die Umstellung von NEL auf ME ist recht unproblematisch, da auch im NEL-System die ME die Grundlage ist. Neu ist, dass der Erhaltungsbedarf der Milchkuh nun höher eingeschätzt wird (laktierende Kuh: 0,64 MJ ME/kg LM0,75, Trockensteher: 0,50 MJ ME/kg LM0,75 – bisher 0,49 MJ ME/kg LM0,75). Auch die Energieverwertung für die Milchbildung ist höher als bisher angenommen (0,66 statt 0,60), so dass der Energiebedarf für die Milchbildung sinkt.
Im neuen System wird die ME in einem dreistufigen Verfahren, ausgehend vom Brennwert des Futtermittels, berechnet. Hierin stellt die Verdaulichkeit der organischen Masse eine zentrale Größe dar. Je höher verdaulich ein Futtermittel, desto höher sein Energielieferungsvermögen. Das dreistufige Verfahren basiert auf der Bestimmung der Verdaulichkeit der Energie sowie der Harnenergie- und der Methanenergie-Verluste, berichtet DI Andrea Meyer, Fütterungsexpertin der LK Niedersachsen.
Berücksichtigung des Futteraufnahmeniveaus (FAN)
Die neuen Empfehlungen berücksichtigen unterschiedliche Futteraufnahmeniveaus (FAN), da bei höherer Futteraufnahme die Passagerate des Futters steigt und die Verweilzeit im Verdauungstrakt sinkt, wodurch die Verdaulichkeit abnimmt. Das FAN orientiert sich an der Futteraufnahme, die für die Deckung des Erhaltungsbedarfs notwendig ist. Für die Praxis ist festzuhalten, dass Grobfutter, insbesondere solche mit einer hohen Verdaulichkeit der organischen Masse, im neuen System energetisch relativ höher bewertet werden.
Protein
Wie alle Tiere haben Wiederkäuer einen Bedarf an essenziellen Aminosäuren. Im Unterschied zu Nichtwiederkäuern müssen aber nicht alle Aminosäuren vollständig mit dem Futter aufgenommen werden, sondern können von den Mikroorganismen im Pansen produziert werden. Das neue Proteinbewertungssystem unterscheidet sich wesentlich vom GfE-System (2001), denn die Proteinbewertung erfolgt zukünftig nicht mehr mit dem nutzbaren Rohprotein (nXP), sondern mit dem dünndarmverdaulichen Protein (sidP = Summe des im Dünndarm verdaulichen Aminosäuren-Stickstoffs x 6,25). Das neue System berücksichtigt unterschiedliche Abbaubarkeiten von Rohprotein im Pansen (geht mit steigender Futteraufnahme auch zurück, dafür steigt der UDP-Anteil in der Ration) und unterschiedliche Dünndarmverdaulichkeiten der Aminosäuren (sidAA) von Futtermitteln. Dadurch kann näher am tatsächlichen Bedarf gefüttert werden. Mit den neuen Proteinkennwerten soll eine bedarfsgerechte Ergänzung einzelner Aminosäuren über das Futter möglich sein, was zu einer höheren N-Effizienz führt.
Einrichtung von Arbeitsgruppen zur Umsetzung
In Deutschland wurden bereits Arbeitsgruppen gebildet, welche sich mit der Umsetzung der neuen Fütterungsempfehlungen in die Praxis beschäftigen. In diesen Arbeitsgruppen arbeiten auch Expertinnen und Experten aus Österreich, unter anderem der HBLFA Raumberg-Gumpenstein, mit. In Österreich soll die Umsetzung der Fütterungsempfehlungen durch das DANFE-Projekt „UFE-Kuh_GfE2023“ begleitet werden, wobei die Umsetzung in enger Abstimmung mit den deutschen Arbeitsgruppen erfolgen soll. In Zuge dieses neuen DAFNE-Projekts „UFE-Kuh_ GfE2023“ soll einerseits die Umsetzung der neuen GfE-Empfehlungen in Österreich koordiniert werden und andererseits Österreich-spezifische Grundlagen für Rationsberechnungen nach der neuen Methodik geschaffen werden. Zur Koordinierung der Umsetzung soll in den nächsten Monaten eine Arbeitsgruppe eingerichtet werden. In dieser Arbeitsgruppe werden Fachleute aus der Wissenschaft, der Beratung, der Futtermittelwirtschaft, der Legistik und der Fort- und Weiterbildung vertreten sein, um so eine möglichst rasche und flächendeckende Umsetzung der neuen GfE-Empfehlungen zu ermöglichen. Weiters werden Informationsunterlagen erstellt und Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen angeboten, um auch eine möglichst reibungslose Umsetzung in die landwirtschaftliche Praxis zu gewährleisten“, berichtet Dr. Georg Terler von der HBLFA Raumberg-Gumpenstein.
Autoren: Andrea Meyer, LK Niedersachsen, und Lukas Kalcher, Rinderzucht Austria (aus KUHRIER 03/2024)