Kälberdurchfall stellt nach wie vor eine der bedeutendsten Ursachen für Kälberverluste dar. Vorsichtigen Schätzungen zufolge verenden jährlich 4-5 Prozent aller Milchviehkälber an den Folgen einer Durchfallerkrankung. Diese Zahlen machen deutlich, dass nicht nur der Prophylaxe der Kälberdiarrhoe, sondern auch der Optimierung der Behandlung dieser Erkrankung mehr Beachtung geschenkt werden muss.
Ziel der effizienten Durchfalltherapie sollte natürlich nicht nur die Vermeidung von Todesfällen sein. Darüber hinaus geht es um eine Verkürzung der Krankheitsdauer, Linderung des Krankheitsverlaufes, Minimierung der Einbußen bei den Tageszunahmen und nicht zuletzt um die Minimierung von Folgeschäden, welche aus verzögerter Entwicklung und erhöhter Krankheitsanfälligkeit nach einer Durchfallerkrankung entstehen können.
Die Elektrolyttränke
Ein wesentliches Instrument zur symptomatischen Behandlung von Durchfallerkrankung ist die Elektrolyttränke (ELT). Die Erfahrung zeigt, dass das therapeutische Potential dieser Therapie in der Kälberhaltung bei weitem nicht ausgeschöpft wird. Gründe hierfür sind, dass die Effizienz der oralen Flüssigkeitstherapie von Landwirten, aber auch von Tierärzten oft unterschätzt wird. Unterschätzt wird darüber hinaus die Bedeutung der richtigen Zusammensetzung einer wirksamen ELT und somit die Auswahl des richtigen Produktes. Selbst hergestellte Diättränken für Durchfallkälber, die ohne Grundkenntnis der Wirkprinzipien der oralen Flüssigkeitstherapie angemischt werden, schöpfen das Potential dieses Instruments nicht optimal aus und können sich im ungünstigen Fall sogar negativ auf den Krankheitsverlauf auswirken. Bei richtiger Anwendung und systematischem Einsatz der ELT hingegen sollte es möglich sein, die Notwendigkeit einer kostenintensiven Infusionstherapie auf ein Minimum zu reduzieren. Im Folgenden sollen die Eckpfeiler des effizienten Einsatzes der ELT besprochen werden.
Nicht jedes Durchfallkalb verlangt nach einem Tierarzt
Zwar ist es nicht erforderlich, bei jedem Fall von Kälberdiarrhoe eine Tierärztin oder einen Tierarzt hinzuzuziehen. Dennoch kommt dem Hoftierarzt eine wesentliche Rolle beim Management des Problems Kälberdurchfall auf Bestandsebene zu. Er wird nicht nur die Ursachenforschung sowie die Ausarbeitung von Prophylaxemaßnahmen durchführen bzw. anleiten, auch das Erstellen eines auf den Betrieb zugeschnittenen Standard-Tränkeplans für Durchfallkälber fällt in sein Ressort. Darüber hinaus wird er bei der Auswahl einer geeigneten Elektrolyttränke sowie dem Festlegen von Kriterien, die es dem Landwirt erlauben zu entscheiden, ab wann im Einzelfall tierärztliche Intervention erforderlich ist, behilflich sein. Beispiele für solche Kriterien können z. B. das Auftreten von Fieber, ein fehlender oder ungenügender Saugreflex, Verlust der Stehfähigkeit, das Abfallen der täglichen Tränkeaufnahme unter einen bestimmten Grenzwert oder das Bestehen der Erkrankungen trotz Elektrolyttherapie über mehrere Tage sein. In Fällen, in denen trotz oraler Flüssigkeitstherapie eine Verschlechterung eintritt, wird der Tierarzt die medizinische Betreuung übernehmen.
Ab wann behandeln?
Abhängig von der Ursache des Durchfalles kann sich der Allgemeinzustand betroffener Kälber rasch verschlechtern, was sich unter anderem in verminderter Sauglust oder Abgeschlagenheit äußert. Ursachen für den raschen Verfall eines Patienten können neben der Austrocknung auch die häufig auftretende Übersäuerung oder Unterzuckerung sein.
(Auszug aus dem Artikel „Orale Flüssigkeitstherapie beim Kalb mit Durchfall: Worauf kommt es an?“ von Dr. Walter Grünberg, MS, PhD, Klinik für Rinder, Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover; Fleckvieh Austria Magazin 6/20)