Was bringen Dippmittel wirklich?
Braun, knallig grün, blau, zähflüssig oder sprühfähig: Das Angebot an Euterhygieneprodukten für den Einsatz nach dem Melken ist mittlerweile unüberschaubar. Die Werbeslogans sind vielversprechend, aber über die konkrete Zusammensetzung und Wirkung des Produktes steht in den Werbetexten oft wenig. Die positive Wirkung von hochwertigen Produkten auf die Eutergesundheit ist unumstritten, aber Wunder können Dippmittel auch nicht wirken. Und die Kosten für den Mitteleinsatz sind auch nicht unerheblich. Umso wichtiger ist es, Euterhygieneprodukte gezielt und nach den gegebenen Erfordernissen einzusetzen.
Dippen als Teil der Mastitisvorbeugestrategie
Das Desinfizieren der Zitzen nach dem Melkvorgang, auch als „Dippen“ oder „Zitzentauchen“ bezeichnet, gilt als weltweit anerkannte Maßnahme zur Mastitisvorbeugung. Es hat jedoch keinen Einfluss auf bereits bestehende Euterentzündungen. Betriebe mit dauerhaft hohen Zellzahlen werden durch den alleinigen Einsatz eines Dippmittels nicht ihre Eutergesundheitsprobleme lösen. Vielmehr muss ein Dippmittel als Puzzleteil bei der Vorbeugestrategie gesehen werden, um die Milchkuh bei ihrem natürlichen Abwehrverhalten gegen „Krankmacher“ zu unterstützen. Zu den Puzzleteilen zählen eine saubere Stallumgebung, leistungsgerechte Fütterung mit hochwertigen Futtermitteln, fundiertes Trockenstellmanagement, optimal gewartete Melktechnik, eine gute Zitzenkondition und nicht zuletzt eine gute Hygiene beim Melkvorgang. Die Wirksamkeit eines Dippmittels lässt sich an der Rate der Neuinfektionen während der Anwendung über mehrere Wochen am besten beurteilen. Studien zufolge kann die Neuinfektionsrate durch Dippen oder Sprayen nach dem Melken um mehr als 50 Prozent gesenkt werden.
Interessant ist, dass bereits im Jahr 1916 ein Zitzendippmittel zur Reduktion von Streptococcus agalactiae auf Basis von Pinienöl beschrieben wurde. Milchproduktion zur menschlichen Ernährung ohne das Auftreten von Euterentzündungen gibt es wohl nicht. Auch wenn sich die Milchtiere, die Haltungsbedingungen, die Futtergrundlage und die gesamte Milchproduktion seit damals gravierend verändert haben, ein Zitzendippmittel hat nach wie vor die gleiche Aufgabe: die Senkung der Mastitiserreger auf der Zitzenhaut.
Intakte Zitzenhaut wichtig
Eine gesunde Zitzenhaut hat einen natürlichen Säure-Schutzmantel, wird von nicht pathogenen Milchsäurebakterien besiedelt und ist glatt und geschmeidig. Zur natürlichen Hautflora von Milchkühen zählen auch Koagulase negative Staphylococcen (KNS), die bei einer Abwehrschwäche eine Euterentzündung hervorrufen können. Diese Infektionen verlaufen meist subklinisch, also ohne Krankheitssymptome. Allerdings wird die Euterhaut durch die Reinigung, den Melkvorgang sowie äußere Umwelteinflüsse stark beansprucht. Kälte, Wind, Sonneneinstrahlung, aggressive Euterhygienemittel oder kalkhaltige Einstreumaterialien können die Zitzenhaut austrocknen lassen; die Haut wird sichtlich rissig und spröde. In Folge steigt das Risiko einer Euterentzündung, da auf einer rauen Haut mehr Schmutz und Mastitiserreger anhaften und diese leichter in den Strichkanal eindringen können.
(Auszug aus dem Artikel „Was bringen Dippmittel wirklich?“ von DI Romana Schneider, MSc, BEd, LK NÖ; Fleckvieh Austria Magazin 3/20)