Die Lahmheitsprävalenz ist ein wichtiger Indikator für die Herdengesundheit und tiergerechte Haltung. Nicht nur, dass lahmfreie Tiere deutlich leistungsbereiter und damit ertragreicher für den Landwirt sind, auch der Konsument fordert Lebensmittel von gesunden Tieren.
Die Lahmheitsprävalenzen steigen in den letzten Jahren stetig an, obwohl hinreichend bekannt ist, dass eine stabile Klauengesundheit eine Grundvoraussetzung für leistungsbereite und langlebige Tiere ist. Erkrankungen des Bewegungsapparates – vor allem diejenigen, die mit Lahmheit verbunden sind – gehören zu den wichtigsten das Tierwohl einschränkenden Leiden und stellen den gesamten Organismus in eine messbare Stresssituation.
Die richtige Prophylaxe entscheidet
Es kann nicht oft genug betont werden, dass die Klauenpflege spätestens alle vier Monate durchgeführt werden muss. Klauenpflege alle sechs bis sieben Monate und nach Bedarf hat nichts mit Prophylaxe zu tun. So wird man sich vom Ziel einer stabilen Klauengesundheit immer weiter entfernen.
Genauso wichtig wie die prophylaktisch eingesetzte Klauenpflege ist das frühzeitige und fachgerechte Eingreifen bei Lahmheiten. Dabei ist es entscheidend, schon bei den ersten noch so geringen Anzeichen einer Lahmheit konsequent und fachkundig einzugreifen. Spätestens wenn das Tier mit gebogenem Rücken steht (Locomotion Score 3 nach Sprecher et. al.; 1997), muss es im Klauenpflegestand kontrolliert und gegebenenfalls an den entsprechenden Klauen behandelt werden.
Leider schaukelt sich die Problematik mit der Klauengesundheit in vielen Betrieben dramatisch auf, da die Klauenpflege nicht prophylaktisch eingesetzt wird und lahme Tiere zu spät oder nicht fachgerecht versorgt werden.
Die ungeliebte Tätigkeit der Klauenpflege, zu der auch die Anlassbeschneidung gehört, wird nur dann zeitgerecht durchgeführt, wenn ein Klauenpflegestand gut im Stallbereich und im Zeitmanagement integriert ist. An der Stelle soll betont werden, dass eine exakte klinische Diagnose einer Klauenerkrankung nur im Klauenpflegestand gestellt werden kann.
Der passende Rhythmus
Jeder Betriebsleiter sollte sich eingangs die Frage stellen, wie er das Klauenpflegemanagement handhaben will. Sollen die Klauen aller Tiere vom Betriebspersonal gepflegt werden oder soll nur die sogenannte Anlassbeschneidung vom Betrieb selbst durchgeführt werden?
Wie viele Tiere im wöchentlichen oder zweiwöchentlichen Rhythmus gepflegt werden sollen, muss berechnet werden. Bei dieser Kalkulation darf auf keinen Fall die Nachzucht vergessen werden. Zuchtreife ist Pflegereife! Wer die Klauenpflege bei den hochträchtigen Kalbinnen, spätestens zwei Monate vor der ersten Geburt, nicht durchführt handelt grob fahrlässig. Bei einem 100-Kuh-Betrieb sind zwischen 350 und 400 Tiere jährlich an den Klauen zu pflegen. Das sind sieben bis acht Tiere jede Woche.
Anforderungen an die Klauenpflegestraße
Selbstverständlich sind die Anforderungen an eine Klauenpflegestraße bei einem Großbetrieb mit mehreren hundert Tieren ganz anders als in einem familiengeführten Betrieb mit deutlich weniger Tieren. Je mehr Tiere zu pflegen sind, desto professioneller muss der Klauenpflegestand und das mit der Klauenpflege betraute Arbeitsumfeld sein. Großbetrieben rate ich zu vollhydraulischen Ständen, die auch von professionellen Klauenpflegern benutzt werden.
Die Funktionen eines vollhydraulischen Standes werden durch Hydraulikzylinder bzw. Stempel und Hydraulikmotoren bewirkt. Der Arbeitsdruck muss korrekt eingestellt sein. Zumindest die Zugkraft für die Beine ist zweimal jährlich zu prüfen (max. 275 kg Zugkraft für Vorderbeine, max. 300 kg Zugkraft für Hinterbeine).
Bei falschen Einstellungen kann es zu erheblichen Verletzungen für das Tier kommen, die eine Euthanasie unumgänglich machen. Vollhydraulische Stände werden mit Starkstrom betrieben. Eine effektive Erdverbindung gemäß den Richtlinien für Starkstrom ist sicherzustellen. Die Notaus-Schalter müssen technisch in Ordnung sein und immer wieder kontrolliert werden.
Professionelle Klauenpflegestände lassen sich bis auf die gewünschte Arbeitshöhe heben (550 mm maximaler Hebeweg), was besonders die Arbeit an den Vorderextremitäten durch die ergonomische Arbeitshaltung enorm vereinfacht. Durch das Anheben des Standes wird dem Anwender ermöglicht, die Beine rückenschonend einzufangen sowie in einer angenehmen Arbeitshöhe für Schulter und Nacken zu arbeiten. Durch ein serielles Hydrauliksystem lassen sich mehrere Operationen gleichzeitig ausführen. Außerdem verfügen professionelle Stände über starke und leise Motoren, die ein schnelleres und stressärmeres Arbeiten ermöglichen, sowie über mechanische Bremsen, die verhindern, dass das angehobene Bein beim Schneiden nach unten sackt.
Klauenpflegestände von namhaften, etablierten Herstellern gewährleisten die Gesundheit von Mensch und Tier – vorausgesetzt, diese werden nach den Vorgaben des Herstellers bedient.
Will ein Landwirt nur die lahmen Tieren ausschneiden oder die Nachbehandlung nach einem Betriebsschnitt durchführen, reichen oft rein mechanisch betriebene Klauenpflegestände völlig aus. 20 Jahre alte Klauenpflegestände lehne ich aus Sicherheitsgründen ab.
(Auszug aus dem Artikel „Welcher Klauenpflegestand passt zu meinem Betrieb?“ von Mag. med. vet. Hubert Reßler, Geschäftsführer der Höchstädter Klauenpflege; Fleckvieh Austria Magazin 6/22)