Unter dem Motto “One Breed – One World” war Kanada Gastgeber des Fleckvieh-Weltkongresses 2024. Nach dem erfolgreichen Kongress in Österreich vor zwei Jahren folgten diesmal Vertreter aus 14 Nationen der Einladung des kanadischen Verbandes in die Provinz Alberta nach Calgary.
Kanada ist bezogen auf die Fläche das zweitgrößte Land der Erde und mit rund 40 Millionen Einwohnern sehr dünn besiedelt. Bei den Touren durch den Bundesstaat Alberta zeigte sich Kanada mit endloser Weite und vorwiegender Landnutzung durch Getreidebau und Grünlandwirtschaft. Viele Wälder und Seen durchziehen die Landschaft. Die Vegetationszeit ist kurz und ermöglicht oft nur eine Nutzung von zwei Schnitten. Die Winterfütterungsperiode ist lang und kann Temperaturen unter minus 30 Grad Celsius bringen.
Naturerlebnis Kanada, Foto Manrique
Kanada – Land der „Beef Cattle“
Aktuell zählt Kanada über 11 Millionen Rinder, wobei die rund 3,5 Millionen Mutterkühe auf insgesamt 60.000 Farmen gegenüber den rund 1,4 Millionen Milchkühen die Bedeutung der Rindfleischproduktion klar zum Ausdruck bringen. Fleckvieh wird im Gegensatz zu Österreich in Kanada ausschließlich zur Fleischproduktion gezüchtet.
Das Land liegt im Ranking der weltweit größten Rindfleischproduzenten auf Rang 10. 45 Prozent der gesamten Rindfleischproduktion gehen in den Export. Das Bezahlungssystem für Fleisch basiert auf dem Schlachtköpergewicht in Kombination mit Parametern der inneren Fleischqualität wie Größe des Rib-Eye, Anteil an intramuskulärem Fett und Marmorierung. Aktuell bekommen die Farmer für 1 Kilo Schlachtgewicht rund 6 kanadische Dollar (rund 4 Euro). Die Fleischindustrie bevorzugt Masttiere mit schwarzem Fell, auch wenn dies fachlich mit den Qualitätsparametern nicht immer begründbar ist.
Die Fleckviehzucht treiben wenige, in Zucht und Vermarktung allerdings sehr intensiv arbeitende Betriebe voran. „100 Prozent Fleckvieh“ ist ein wertvoller Markenbegriff, der hohe Erlöse auf Versteigerungen für weibliche und männliche Tiere ermöglicht. Auf den besuchten Ranches zeigte sich der „Kanadische Fleckviehtyp“ mit knapp- bis mittelrahmigen Kühen, die breit in Brust und Becken ausgelegt sind. Die Fundamente zeigen einen gröberen Knochenbau. Die männlichen Tiere aus der Reinzucht liefern hohe tägliche Zunahmen und sind quellig bemuskelt. Besonders auffallend war das sehr ruhige Temperamt der Tiere. Vielfach werden Kreuzungen von Fleckvieh mit Black und Red-Angus zur Produktion von Masttieren durchgeführt.
Fleckvieh in Kanada, Foto Manrique
Stier im kanadischen Fleckviehtyp, Foto Pfleger
Im Video sehen Sie typische kanadische Jungtiere mit ruhigem Charakter:
Neue Mitglieder in der Fleckvieh-Weltvereinigung “
Im Rahmen des Kongresses tagte sowohl die Welt-Simmental-Fleckvieh-Vereinigung als auch der Vorstand der europäische Vereinigung der Fleckviehzüchter in Calgary. Beiden Dachverbänden steht Sebastian Auernig als Welt- und Europapräsident vor. In der Generalversammlung wurden die Länder Kasachstan und Bulgarien neu in die Weltvereinigung aufgenommen. Franziska Kessler von der Universität Hohenheim referierte über die genetische Stärke von Fleckvieh in Resilienz, Robustheit und Widerstandsfähigkeit im Vergleich zu anderen Rassen. In einer weiteren Vortragssession waren Referenten aus den USA und Kanada geladen. Vorgestellt wurde die Arbeit von Neogen, dem weltgrößten Anbieter von Beef-Genomik sowie IGS, der weltweit größten Genomik-Datenbank für Fleischrinder, die als Vernetzer zwischen Züchtern, Organisationen und der Fleischindustrie agiert. Interessant gestaltet war ein Überblick über „Beef on Dairy“ in den USA. Aufgrund rückläufiger Kuhzahlen sind die Preise für Kälber in den USA und Kanada sehr hoch. Der Kopfpreis für reinrassige Holsteinkälber liegt bei historisch hohen 500 und 600 Dollar. Beef-on-Dairy-Kreuzungen erzielen zwischen 800 und 900 Dollar. In den USA stammen bereits rund 80 Prozent der Tiere in den Feedlots aus Beef-on-Dairy-Kreuzungen. Der Absatz von Fleischrassesperma stieg in den letzten Jahren stark an und umfasst aktuell ein Volumen von 12 Millionen Dosen, wovon auch Fleckvieh profitiert.
WSFF-Präsident Sebastian Auernig begrüßte Vertreter aus 14 Nationen, Foto Auernig Maria
Die österreichische Delegation in Calgary, Foto Manrique
50-jähriges Bestandsjubiläum – Überraschung aus Österreich
Die Weltvereinigung der Fleckviehzüchter wurde 1974 gegründet, sodass die Generalversammlung auch im Zeichen eines Jubiläums stand. Richard Pichler und Georg Röhrmoser gestalteten einen kurzweiligen Rückblick auf die letzten 50 Jahre. Als besondere Überraschung präsentierte Richard Pichler einen eigenen „Fleckvieh Song“, den er zur Komposition in Auftrag gegeben und selbst getextet hat. Der nächsten Fleckvieh-Weltkongress wird im Jahr 2026 im Vereinigten Königreich stattfinden.
Bruce Holmquist aus Kanada mit Richard Pichler, Foto Auernig Maria
Eine Fleckvieh-Austria-Ehrenglocke als Geschenk für Gastgeber Kanada , Foto Sulzbacher
Betriebsbesuche und World-Simmental-Fleckvieh-Sale
Im Rahmenprogramm konnten die Teilnehmer die Herden Mader, Anchor und Clearwater besichtigen. Besonders interessant war der Besuch des World-Simmental-Fleckvieh-Sales. Die Familie Bohrson bietet auf ihrem Betrieb Versteigerungen an, die auch die Vorbereitung der Tiere am Betrieb und die gesamte Abwicklung samt publikumswirksamer Liveversteigerung beinhalten. Bei diesem World-Sale wurden über 100 Zuchttiere mit Spitzenpreisen für männliche und weibliche „100 % Fleckvieh“-Tiere versteigert. Ein weiteres Highlight des Kongressprogramms war der Besuch der nationalen Jungzüchterschau für Fleckvieh mit Teilnehmern aus ganz Kanada, die dafür oft tagelange Anreisen in Kauf nahmen.
Beindruckende Versteigerung unter freiem Himmel, Foto Manrique
Einheitlich typstarke Jungtiere auf der nationalen Jungzüchterschau, Pfleger
Verfolgen Sie im Video die Versteigerung von Stier Jackson mit 100.000 Dollar Zuschlagspreis:
Rodeo – typisch Kanada
In Erinnerung bleiben wird auch eine Tour in den Banff-Nationalpark in den Rocky Mountains sowie als abschließendes Highlight ein Besuch beim berühmten „Stratemore Stampede Rodeo“. Western Style und Rodeo sind Teil der kanadischen Geschichte und sehr beliebt. Vor tausenden Besuchern messen sich Cowboys und Cowgirls in spektakulären Wettbewerben wie „Horse-Rodeo“ oder „Bull-Riding“.
Die österreichische Delegation im Banff-Nationalpark, Foto Pfleger
Das berühmte „Stratemore Stampede Rodeo“, Foto Pfleger
Rodeo ist Teil der Geschichte Kanadas und sehr beliebt – schauen Sie sich das Video an:
One Breed – One World
Die Delegation aus Österreich konnte durch den Mix aus Fachvorträgen und Betriebsbesuchen einen guten Einblick in die Arbeit der Fleckviehzüchter in Kanada und Nordamerika gewinnen. Aufgabe der Weltvereinigung ist es, die gemeinsame Klammer für Simmental-Fleckvieh über alle Kontinente und Nutzungsrichtungen unserer Rasse zu bilden. Diese Aufgabe wird durch die Präsidentschaft von Sebastian Auernig wesentlich von Österreich gestaltet. Ziel des Fleckvieh-Weltkongresses ist auch, den fachlichen und gesellschaftlichen Austausch der Züchter und Verantwortungsträger zu aktuellen und zukünftigen Trends der Milch-, Fleischproduktion und Rinderzucht über Ländergrenzen hinweg zu ermöglichen und nachhaltig zu fördern.
Autor: Ing. Reinhard Pfleger, Fleckvieh Austria