Zwischenklauennekrose beim Rind

Was man dazu wissen sollte

Die Zwischenklauennekrose, auch Zwischenklauenphlegmone (ZP) und „Zwischenklauenpanaritium“ genannt, ist eine infektiöse Klauenerkrankung, zu deren Entstehung jedoch begünstigende Faktoren einwirken müssen. Die ZP entwickelt sich sehr rasch, oft von einer Melkung zur nächsten, und zählt zu den schmerzhaftesten Klauenerkrankungen beim Rind. Sie kann bei nicht fachgerechter oder bei zu spätem Behandlungsbeginn rasch zu sehr ernsthaften Komplikationen führen.

Die Zwischenklauennekrose zählt neben der Mortellaro-Krankheit zu den infektiösen Klauenerkrankungen und stellt eine akute, eitrig-nekrotisierende Entzündung der Haut und des darunterliegenden Bindegewebes im Zwischenzehenspalt dar. Sie kommt bei Milchrindern in Laufstall- und Anbindehaltung, bei Mastrindern und häufig auch bei Rindern auf Almen vor. Die ZP tritt insgesamt eher selten und meist nur bei einzelnen Tieren auf, die mittlere Häufigkeitsrate liegt bei 0,8 Prozent erkrankter Tiere pro Herde, jedoch mit beträchtlicher Streubreite von 0,07–5,5 Prozent. Selten können in einer Herde jedoch auch bis zu circa 50 Prozent der Rinder innerhalb kurzer Zeit erkranken, zum Beispiel bei Einwirkung von andauerndem Hitzestress.

Risikofaktoren

Für das Angehen der ZP ist die vorherige Einwirkung von Umweltfaktoren notwendig, die sowohl das Bakterienwachstum als auch ihr Eindringen durch die Haut begünstigen. Dazu zählen mangelhafte Hygiene mit feuchten, schmutzigen Liege- und Laufflächen, nasse und sumpfige Weiden, feuchtes Wetter und hohe Bodenfeuchtigkeit. Diese Bedingungen führen zur Zersetzung der Haut im Zwischenzehenspalt, wodurch die Hautbarriere stark geschwächt wird. Zudem führen diese unhygienischen Bedingungen zu kot- und schlammbedeckten Klauen, die ein perfektes anaerobes Milieu für die ursächlichen Bakterien bieten. Raue und scharfkantige Oberflächen betonierter Laufflächen und steinige Almen können kleinste Wunden an der Klauenhaut verursachen, die auch eine häufige Eintrittspforte für die verantwortlichen Bakterien darstellen. Zudem können Hautreizungen durch stark alkalische Desinfektionsmittel in der Einstreu zu Rissen in der Haut des Zwischenzehenspaltes führen.

Ein signifikant häufigeres Vorkommen von ZP wurde bei Kühen mit hoher Milchleistung, in sehr großen Herden, bei Kalbinnen/Kühen wenige Wochen vor der Geburt und bei Kühen in den ersten 60 Laktationstagen sowie generell bei Kalbinnen und Erstlingskühen beschrieben.

Eine bestehende Mortellaro-Infektion an der Haut des Zwischenzehenspaltes gilt als weiterer Risikofaktor. Auch Limax, zu lange Klauenpflegeintervalle (> 6 Monate) und unsachgemäße Klauenpflege, bei welcher die Hohlkehlung nicht oder nur ungenügend geschnitten wird, führen zu einer Verengung des Zwischenzehenspaltes. Zusammen mit der Ansammlung von (eingetrocknetem) Kot und der ständigen Reibung zwischen den Klauen können dort rasch Hautläsionen entstehen. Unsachgemäße Klauenpflege kann auch zu Spreizklauen führen, wodurch die Haut des Zwischenzehenspaltes schädigenden Einflüssen stärker ausgesetzt wird.

Ein oftmals in Österreich noch unterschätzter Risikofaktor für ZP ist Hitzestress. So stellten Dänische Tierärzte fest, dass 49 Prozent aller Zwischenklauennekrose-Behandlungen bei Milchkühen während der vier Sommermonate erfolgten. Hitzestress vermindert sehr stark die Immunreaktion der Rinder. Die Kühe stehen auch länger, wodurch die Wärme besser abgeführt werden kann, aber was auch eine Verminderung der Liegezeit zur Folge hat, so dass das Abtrocknen der Klauen dadurch nicht mehr stattfinden kann. Hitzestress führt zudem zu geringerer Futteraufnahme, Bevorzugung von Kraftfutter, erhöhtem Wasserverlust infolge der verstärkten Thermoregulation und somit zu einer Verminderung des Elektrolyt-Pufferpools im Blut. All diese Faktoren erhöhen das Risiko für eine subakute Pansenazidose während Perioden mit feucht-heißem Wetter. Auch die subakute Pansenübersäuerung selbst beeinträchtigt die Immunabwehr, und infolge des dabei abgesetzten dünnbreiigen ‚Azidose-Durchfallkotes‘ wird der Keimdruck erhöht und die Verschmutzung und Auflösung der Klauenhaut verstärkt.

Ursächliche Bakterien

Als ursächliche Keime gelten die anaeroben Bakterien Fusobacterium (F.) necrophorum und Dichelobacter nodosus. In Tupferproben aus ZP findet man häufig auch Porphyromonas levii und Prevotella melaninogenica sowie die überall vorkommenden Keime wie Trueperella pyogenes, Staphylococcus aureus, Escherichia coli, Treponema spp. und andere mehr. Die wichtigste Rolle bei ZP spielt das überall und auch im Rinderkot vorkommende F. necrophorum, welches zahlreiche Virulenzfaktoren (gewebsschädigende Enzyme) bildet, die eine rasch fortschreitende nekrotisierende Entzündung im Gewebe bewirken.

Erscheinungsbild

Die ZP tritt überwiegend an hinteren Klauen, meist nur an einem Fuß auf. Charakteristisch ist die rasche Entwicklung der Infektion innerhalb weniger Stunden („von einer Melkung zur nächsten“) und eine symmetrische, mittelgradige Schwellung ausgehend vom Zwischenzehenspalt, die auch die Vorderseite der Zehe und die Fesselbeuge umfasst. Die erkrankten Rinder entwickeln innerhalb weniger Stunden eine deutliche Lahmheit.

Das Frühstadium beschreibt das Krankheitsbild in den ersten 12–24 Stunden nach Beginn der Infektion. Innerhalb weniger Stunden entwickeln sich die symmetrische entzündliche Schwellung an den Zehen (bei Betrachtung der Zehe von vorne beziehungsweise von hinten), eine flächenhafte starke Rötung und eine oberflächliche Hautnekrose im gesamten Zwischenzehenspalt. Der entzündete Bereich ist hochgradig schmerzhaft, der Zwischenzehenspalt ist deutlich erweitert, weist einen faulig-süßlichen Geruch und oft einen durchgehenden Riss auf (Abb. 1-3). Das erkrankte Tier zeigt eine deutliche Entlastungsstellung, eine mittelgradige Stützbeinlahmheit und die Milchleistung kann rasch um mehr als 50 Prozent zurückgehen.

Abb.1_Frühstadium

Abb. 1, 2, 3: Frühstadium einer Zwischenklauennekrose bei einer Kuh mit Ansicht von vorne, hinten und interdigital: Die symmetrische entzündliche Schwellung, die ausgeprägte Rötung der Haut vorne und hinten über dem Kronsaum und Weichballen sowie die aufgeplatzte Haut (Längsriss) im Zwischenzehenspalt sind gut erkennbar.

(Auszug aus dem Artikel „Zwischenklauennekrose beim Rind – was man dazu wissen sollte“ von Prof. Dr. Johann Kofler, Universitätsklinik für Wiederkäuer, Department für Nutztiere und öffentliches Gesundheitswesen in der Veterinärmedizin, Veterinärmedizinische Universität Wien, Johann.Kofler@vetmeduni.ac.at; Fleckvieh Austria Magazin 5/23)